Fabelhafte Fabelwesen

Geschrieben in Sticken am 14.03.2016 von Eva-Maria

Um meine Stickrahmen zu transportieren, benötigte ich eine Tasche - aber natürlich nicht nur irgendeine. Stilecht sollte sie sein und auch gleich noch die Bandbreite mittelalterlicher Sticktechniken zeigen. Da bot es sich an eine Technik auszuprobieren, die ich bisher noch nicht in meinem Repertoire hatte - OPUS CONSUTUM. Streng genommen ist es keine Stick-, sondern mehr eine Applikationsarbeit - im mittelalterlichen Verständnis zählte das Opus Consutum allerdings zu den Stickereien. Dabei wurden Figuren und Motive aus nicht fransendem, verfilztem Wollstoff zB Loden ausgeschnitten und mit Überwendlingsstichen auf einen kontrastfarbigen Grundstoff aufgenäht. So wurden die Motivränder gleichzeitig vor dem Ausfransen geschützt. Auch eine Versäuberung der Stoffränder mit Knopflochstich oder der Schutz durch aufgenähte Lederstreifen oder mitgefasste Kordeln/Wollfäden war gängig. Weiters konnten die gleichen Stücke (zB Blumen) aus unterschiedlichen Farben geschnitten und als kontrastfarbige Intarsienarbeit wieder zusammensetzt werden. Das war vor allem in Schweden populär. Zum Teil wurde der Wollstoff sogar aus gebrauchter Kleidung geschnitten, die das wertvolle Material damit wiederverwertete.
Mit dieser Technik konnten schnell Wandbehänge, Turnierdecken und Fahnen gefertigt werden.

Benötigtes Material: Stickgrund aus Wolltuch oder Leinen, Wollstoff (Reste), Woll- oder Leinengarn;

Verwendete Sticharten: Überwendlingsstich, Knopflochstich, Oberflächliche Anlegetechnik;

Ein Beispiel: Tristan Wandbehang, Deutschland, 1370-1400

Hier noch eine Linksammlung zu verschiedenen Wandbehängen in Applikationsarbeit und dann geht es auch schon los mit der Fotostrecke. smiley

 

Die beiden Fabelwesen aus dem Luttrell Psalter habe ich mithilfe
von kohlebestäubtem Papier auf den Stoff übertragen. Links sieht man
die Nachzeichnung mit Pigmentliner, rechts noch die übertragenen
Linien. Erstaunlicherweise ließ sich der Kohlestaub problemlos ausbürsten.
Das Stoffstück wird in Form geschnitten und mit Überwendlingsstichen
angenäht. Dabei muss der Wollfaden nicht zur Stofffarbe passen.
Etwas später sieht die "Einsiedlerdrachenschnecke" schon so aus...
Mit Spaltstich werden die Details aufgestickt und fertig ist das Vieh!
Der "Krokodilseber" ist da schon etwas aufwändiger...
Vor allem die Schuppen fordern viel Geduld...
Das fertige Opus Consutum und die Manuskriptvorlagen
Irgendwann nähte ich daraus eine Tasche, die meine Stickrahmen
und sonstiges Stickzubehör sicher und stilvoll transportiert.