Ein blaues Wunder erleben / trying woad dyeing

Geschrieben in Alltag am 30.10.2019 von Eva-Maria

"Das blaue Wunder" heißt es im Färberjargon, wenn die Waid- bzw. Indigofärbung an der Luft umschlägt und die strahlende Farbe zutage tritt. Doch hat die Redewendung auch eine andere Bedeutung - und um diese weniger angenehme Lesart geht es in diesem Bericht zum Färbeexperiment mit frischem Waid. Zum Hintergrund: In einem Blogbericht hatte ich gelesen, dass die Waid-Färbung auch mit handelsüblichen Mitteln, ganz ohne aufwändiges Küpenverfahren, klappen sollte. Das wollte ich natürlich ausprobieren und machte mich frisch ans Werk. (Englisch summary at the end). 

Anfangs lief alles noch nach Plan. Die Waidblätter wurden geerntet, kurz gewaschen, klein geschnitten und mit heißem Wasser übergossen. Dann durften sie zwei Stunden ruhen. 
Danach wurde der Sud abgegossen und vorsichtig auf 50 Grad erhitzt. 
Nun kamen ein paar Löffel Waschsoda dazu, und das ganze wurde mit einem Schneebesen kräftig gequirlt, um Sauerstoff unterzurühren.
Und hier nun der erste Fehler: Ermutigt vom bläulichen Schaum hab ich ganz auf die PH-Wert-Messung der Küpe vergessen (Die sollte bei 8-9 liegen, falls sich jemand fragt).
Jedenfalls signalisierte der bläuliche Schaum, dass genügend Indigo gelöst war, um den nächsten Schritt im Färbevorgang anzugehen. 
Üblicherweise würde jetzt Natriumhydroxid (aka Natriumdithionit) zugegeben und die Entstehung der metallisch schimmernden "Blume" auf der Oberfläche abgewartet.
Meine Anleitung meinte jedoch, dass das auch mit handelsüblichem Entfärber klappen wurde. Also frohen Mutes den Entfärber in den Topf gegeben.
Nach 30 Minuten dann die Ernüchterung - der Farbumschlag ins Gelbliche wollte einfach nicht klappen. Auch nicht, nachdem ich weiteren Entfärber dazugegeben hatte (siehe Bild).
Trotzdem wollte ich noch nicht aufgeben und hab einen Wollstrang in die Brühe gelegt. Nach wiederum einer halben Stunde abwechselndem Beten/Fluchen/Hoffen nahm ich dann den Strang heraus - und siehe da, er verblaute an der Luft! Das Ergebnis war zwar nicht ganz so intensiv wie es hätte sein sollen, aber immerhin kein ganzer Fehlschlag.
Nach dem abschließenden Bad in Essigwasser zeigte sich die Wolle dann in zartem Babyblau - und ich mich um eine Erfahrung reicher. 

Mein Fazit:

Eine Färbung mit frischen Waidblättern kann klappen, dafür sollte man/frau allerdings die richtigen Chemikalien und Mengenverhältnisse verwenden. Ich hoffe jedenfalls stark darauf, dass meine Waidpflanzen den Winter überstehen und ich kommendes Jahr einen neuen Versuch starten kann. Es wird sicher nicht mein letztes Färbeexperiment gewesen sein - dafür machen Pflanzenfärbungen einfach zu viel Spaß! Und falls jemand genau wissen möchte wie eine erfolgreiche Waidfärbung aussieht - die Kolleg/inn/en der "Wienischen Hantwërcliute 1350" haben eine Färbeanleitung parat. 

 

Englisch summary: This article is about my first experience using fresh woad leaves and household ingredients for dyeing. Long story short - it worked out somehow but it would have been better to have a proper recipe and the called-for chemicals. If you are interested in how it should be done,  here's a detailed tutorial on Dyeing with Woad