Wie war das mit den Taschen? / And what about pouches?
Geschrieben in Kleidung am 30.11.2017 von Eva-Maria
Da die Kleidung im Mittelalter noch keine eingenähten Taschen kannte, mussten Gegenstände des täglichen Bedarfs anderweitig mitgeführt werden. In der Männermode entwickelten sich zu diesem Zweck verschiedene Formen von Gürteltaschen, die in der Kombination mit Messern sowohl modisches Accessoire wie auch praktischer Aufbewahrungsort diverser Kleinigkeiten (zB Münzen, Löffel, Schlüssel, Paternoster….) waren. Sucht man Accessoires mit dem gleichen Zweck in der Frauenmode, sieht die Sache weniger klar aus. Gürteltaschen wie bei den Männern kommen in der figürlichen Darstellung von Frauen nicht vor. Wenn überhaupt ein Beutel abgebildet ist, hängt dieser stets an einem langen „Henkel“ vom Gürtel und wird in modernen Definitionen gerne als Almosenbeutel bezeichnet. Von erhaltenen Exemplaren wissen wir, dass sie oftmals aus exklusiven Stoffen gefertigt bzw. mit aufwendigen Stickereien verziert waren. Damit waren sie nicht nur praktischer Ersatz für die fehlenden Taschen, sondern auch kostbarer Repräsentationsgegenstand und spielten im höfischen Minnewerben eine besondere Rolle als Liebesgabe.
Da die frei herabhängenden Gürtel für Diebe besonders attraktiv waren (die Bezeichnung „Beutelschneider“ lässt sich davon ableiten), führte dies im Laufe des 14. Jahrhunderts dazu, dass die dekorativen, aber auffälligen Beutel zunehmend unter der zweiten Oberbekleidung, dem Surcot bzw. der Houppelande, der Damen getragen wurden und somit aus dem Blickfeld verschwanden. Diese Praxis könnte eine Erklärung für die spärliche bildliche Darstellungslage sein.
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Almosenbeutel
Analysiert man die dargestellten Almosenbeutel, die als Accessoires von Frauen getragen werden, stechen folgende Punkte ins Auge:
- Die Grundform der dargestellten Almosenbeutel ist vorwiegend rechteckig bzw. trapezoid.
- Sie sind oftmals oben mit Hilfe von Nestelbändern zusammengerafft und somit verschlossen. Die Enden der Bänder hängen seitlich herab.
- Häufig sind die Ecken und der untere Beutelrand mit Tasseln verziert, manchmal zieht sich die Dekoration auch über die Seitenränder hoch.
- Doch auch sackartige Formen, die ggf. auf einer Kreisform basieren, kommen vor.
- Die dargestellte Farbe lässt auf ein textiles Material schließen, aber auch feines Leder kommt in Frage (beides ist im Fundgut nachzuweisen);
- In Darstellungen aus dem Tacuinum Sanitatis ist eine Beutelform zu sehen, die wie eine Pyramide aussieht und die eine hochschiebbare Abdeckung aufweist (vgl. Beutel des Hermann von Goch)
Und wer jetzt noch mehr Taschen sehen möchte - einen (auszugsweisen) Überblick über die verschieden Formen von Beuteln als Kleidungsaccessoire der Frau im Spätmittelalter gibt meine Sammlung von Bildbelegen.
This article focuses on the use of purses/pouches as accessory item in women's outfits. I pursue the question why women's pouches are seldomly depicted (unlike men's girdle pouches) and - if they are shown - which shapes they feature. I identify three main types of women's purses - based on geometric shapes: the rectangular purse (commonly adressed as "alms purse/ aumonière"), the baggy purse and a triangular purse that is depicted in the Tacuinum Sanitatis manuscripts. A good overview on various women's purses & pouches can be found on the linkspages at Larsdatter (1, 2, 3). Additionally, you can download my collection of pictures here.