Da spuck ich Tinte und Galle
Geschrieben in Sticken am 26.02.2016 von Eva-Maria
"Die waren ja nicht blöd früher" hört man häufig auf Mittelaltermärkten, wenn es darum geht, ungenaue Rekonstruktionen oder moderne Einflüsse in der Darstellung zu entschuldigen. In meinem Fall dient der Satz aber dazu, zwei Punkte zu veranschaulichen, die mir im Rahmen eines kleinen Experimentes unterkamen:
- Die waren wirklich nicht blöd damals.
- Modern ist nicht immer besser.
Aber worum geht es eigentlich?
Als Stickerin benötige ich für die meisten Projekte eine Vorzeichnung auf dem Stoff. Da stellte sich mir die Frage, wie diese am besten auf selbigen kommt und auch, wie sie dann fixiert wird. Hier gibt es mehrere Möglichkeiten:
- Die moderne Variante: Mithilfe von Transparentpapier, Schneiderkopierpapier oder Bleistift das Muster auf den Stoff übertragen und dann mit einem wasserfesten Stift (das ist wichtig, wie ich aus leidvoller Erfahrung berichten kann) nachzeichnen. Oder das Muster mittels Bügeltransferstift direkt auf den Stoff bügeln.
- Die authentische Variante: Das Muster auf einem Blatt Papier vorzeichnen, die Linien mit einer Nadel in kleinen Abständen durchstechen, das ganze auf den Stoff legen und mit Kohlepulver bestreuen und durchreiben. Die so entstandenen Punkte dann mit Eisengallustinte nachzeichnen. Die ist dokumentenecht und daher wasserfest (und nie wieder auswaschbar - Achtung daher auf Flecken!). Darum sieht man auch auf manchen mittelalterlichen Stickereien an den Stellen, an denen die Fäden ausgefallen sind, oftmals noch ganz klar die Vorzeichnungslinien.
Kommen wir nun zum Experiment.
Als erstes habe ich ein Muster mit verschiedenen Methoden auf den Stoff gebracht. Die dünnste Linie war mit Pigmentliner möglich, die dickste erzielte der Bügeltransferstift, der wie ein Filsstift aussieht und eine demensprechend "fette" Spitze hat. Weiters fällt auf, dass Textilmarker und Eisengallustinte/Eisensulfattinte beide tiefschwarz sind. Aber auch der Bleistift ist gut erkennbar. Aus Interesse habe ich dann noch einen Stempel dazugedrückt.
Dann bespritzte ich den Stoff mit Wasser und ließ ihn wieder trocknen, um zu sehen, welche Farben verlaufen würden und welche stabil blieben.
Etwas überrascht war ich vom Ergebnis - alle 6 Teststifte waren wasserfest. Interessant ist, dass dies auch für die Stempelfarbe gilt. Lediglich die Eisengallustinte zeigte leicht verwaschene Spuren, aber das liegt glaube ich daran, dass ich sie nicht lange genug trocknen ließ. Üblicherweise sollten so beschriebene Pergamente bzw. Stoffe einen Tag lang trocknen, erst dann ist die chemische Fixierung abgeschlossen.
Der blau-grüne verwaschene Fleck rechts oben ist das, was von einem handelsüblichen Fineliner-Strich übrigbleibt, wenn er nass wird. Das möchte man/frau nicht in seiner Stickerei haben. Ich habe übrigens versucht, den Fleck wiede auszubleichen - aber keine Chance. Selbst Chlorbleiche ist gegen Fineliner machtlos. Die blauen und grünen Anteile verschwanden zwar, aber die gelben Farbanteile blieben. Ganz abgesehen davon, dass auch das Leinen durch das Chlor Schaden nahm.
Hier nun die Sieger des Stift-Experiments:
Was habe ich daraus gelernt?
Die waren wirklich nicht blöd früher. Nein, Spaß beiseite, ich hätte nicht gedacht, dass sich die Eisensulfattinte so gut schlägt - aber was für Staatsverträge verwendet wird, ist auch für Stickprojekte gut genug. Als Verlierer steht hingegen der Fineliner da - er ist zwar praktisch und günstig überall zu bekommen (in Gegensatz zu Pigmentlinern & Textilmarkern, die nur im Fachhandel zu erstehen sind), er ist allerdings überhaupt nicht wasserfest und daher zum Vorzeichnen von Stickereien ungeeignet.
Fazit: Ich verwende nur mehr Textilmarker bzw. Pigmentliner für moderne sowie Eisensulfattinte für historisch korrekte Stickprojekte.