Diu werlt was gelf, rôt unde blâ / the world was yellow, red and blue

Geschrieben in Kleidung am 28.03.2017 von Eva-Maria

Pflanzenfarben spielen eine wichtige Rolle bei der Rekonstruktion von Kleidung und anderen Textilien des europäischen Mittelalters. Denn neben dem Schnitt, der Verarbeitung und der Qualität des Stoffes vermittelte auch die Farbe der Kleidung wichtige nonverbale Informationen über Modebewusstsein, Reichtum und sozialen Stand des Trägers/der Trägerin. Generell galt dabei: Je kräftiger und gleichmäßiger die Farbtöne, umso höher der Rang und Wohlstand der betreffenden Person. So verwundert es nicht, dass das Färbereihandwek im Mittelalter bereits hoch spezialisiert war und der Anbau und Handel von Färbepflanzen ebenso wie die Färberei bedeutende Wirtschaftszweige darstellten.

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Pflanzenfärberei und Textilfarben im Mittelalter

Im Gegensatz zu dem Bild, das uns Hollywoodfilme gerne über die Kleidung im Mittelalter vermitteln, war die arbeitende Bevölkerung nicht nur in braun-grau gekleidet. Um es mit Walter von der Vogelweide zu sagen - "Diu werlt was gelf, rôt unde blâ" und ein farbenfrohes Outfit galt durch alle Stände hindurch als erstrebenswert. Dabei war ein Stoff umso kostbarer, je gleichmäßiger er gefärbt war und ein Berufsfärber umso besser, je öfter es ihm gelang, einen bestimmten Farbton zu reproduzieren (Faktoren wie Wasserhärte, Qualität der Färbedroge, Färbetemperatur, Verfahren etc. spielten dabei eine bedeutende Rolle). Da für die kräftigsten und lichtechtesten Farben aber Mehrfach- und/oder Doppelfärbungen in teils aufwendigen Arbeitsschritten nötig waren, blieben diese Farben den gut betuchten Kunden vorbehalten. Auch die Herkunft der Färbemittel (heimisch angebaut oder importiert) trugen zum unterschiedlichen monetären Wert der gefärbten Textilien bei. Doch auch der Bauernstand mochte auf farbige Kleidung nicht verzichten. Heimische Färbepflanzen, die im eigenen Garten angebaut und mit denen in einfachen Verfahren (zB. Gär- oder Kaltfärbung) Stoffe gefärbt werden konnten, erfreuten sich großer Beliebtheit.
Als im Spätmittelalter sich immer mehr städtische Bürger kräftig gefärbte Stoffe leisten konnten, wurden „Kleiderordnungen“ erlassen um den Unterschied zum Adelsstand hervorzuheben. Diese regelten detailgenau, was für das Outfit jeden Standes erlaubt war. An den ständigen Neuerlässen der Verordnungen zeigt sich jedoch, dass diesem Vorhaben nur mäßiger Erfolg beschieden war. Wer es sich finanziell leisten konnte, kleidete sich in neuester Mode und Farbgebung, auch wenn dafür eine Geldstrafe fällig wurde.

 

Standesunterschiede und verfügbare Stofffarben:

Adelige/Bürger

Bauern

  • Lassen von Berufsfärbern (BF) färben
  • Nur Hausfärberei möglich
  • BF färben in speziellen sehr großen Gefäßen – dadurch wird die Farbe gleichmäßig und mehr Stoff kann gleichzeitig gefärbt werden
  • i.d.R. nur ziemlich kleine Gefäße vorhanden d.H. Färbemenge beschränkt und Ergebnis oft fleckig
  • BF spezialisieren sich auf einzelne Farben
  • Keine Spezialisierung
  • Anbau und Handel mit Färbepflanzen sichert gleichbleibende Qualität
  • Pflanzen aus der Umgebung oder selbst angebaut
  • BF verwenden zeitaufwendige Methoden
  • Keine Zeit für aufwendige Verfahren; Verwendung von Gär- oder Kaltfärbeverfahren

Färbepflanzen

Heimische Färbepflanzen

Waid (engl. Woad)
  • Bedeutendste Färbepflanze des europäischen Mittelalters, war es doch die einzige heimisch wachsende Pflanze, mit der man Blau färben konnte;
  • Blätter werden zum Färben von tierischen und pflanzlichen Fasern eingesetzt (Wolle, Seide, Leinen…)
  • Damit der Farbstoff verwendet werden kann, muss er in einem komplizierten, langwierigen Verfahren aus der Pflanze aufgeschlossen werden -> Küpenfärbung
  • Farbergebnis wird grünlich-gelb und schlägt erst durch Oxidation an der Luft in Blau um, daher stammt der Begriff „Blau machen“;
  • Blaufärber galten als Elite der Färbemeister, dementsprechend kostspielig war ihr Produkt.
Krapp (engl. Madder)
  • Verwendung der Wurzel zum Färben von Rot- und Brauntönen auf tierischen Fasern (v.a. Wolle)
  • auch für Kaltfärbung geeignet, d.h. in Hausfärberei denkbar;
  • Erzielte Farbe hängt stark von der Färbetemperatur ab;
  • Tendenz zu Orangen und gelben Nuancen bei zu geringer Farbstoffkonzentration
Färberwau/Reseda (engl. Weld)
  • Verwendung der gesamten Pflanze, vor allem der Samen, zum Färben von lichtechtem Gelb
  • für pflanzliche Fasern ungeeignet
  • wurde zum Überfärben von Waid und Indigo verwendet, um Grün zu erzielen
Färberginster (engl. Dyer’s broom oder greenweed)
  • Blätter, Blüten und junge Zweige dieses Strauchs färben leuchtendes Gelb;
  • benötigt jedoch die doppelte Menge im Vergleich zu Färberwau und wurde dementsprechend ungern eingesetzt
  • nur für tierische Fasern geeignet

Importpflanzen

Rotholz
  • Kernholz des Baumes färbt gelb-braun, wird durch Oxidation dunkelrot
  • Rotholz liefert ein eher blaustichiges Rot, während beim Krapp die Tendenz zu Orange und Gelb überwiegt
  • Rotholz färbt satte Pink- und Rosatöne bei geringer Farbstoffkonzentration im Färbebad

 

Tierische Färbemittel für Rot- und Rosatöne

  • Schneckenpurpur
  • Schildlaus-Arten: Echte Schildlaus, Polnische (Deutsche) Kermes
  • Cochenille-Laus (Amerikanisch)

Pflanzen der Hausfärberei

Zur Verfügung standen im Prinzip die oben genannten, in Europa kommerziell angebauten Arten wie Waid, Krapp, Reseda und Färberginster sowie ein breites Spektrum an Nutz- und Wildpflanzen (Früchte, Blüten, Blätter, Rinde, Wurzeln) und Flechten. Zu Beachten ist, dass manche Pflanzenfarben Textilfasern ohne vorherige Vorbehandlung (Beize) färben können und daher von einer vermehrten Verwendung dieser Farben im bäuerlichen Umfeld ausgegangen werden kann.

Auswahl heimischer Pflanzen für die Hausfärberei:

Gelb: Echte Kamille, Färberkamille, Ringelblume, Rainfarn, Heidkraut, Birkenblätter;

Praktisch alle gelben Farben können durch die Zugabe von Eisen zu Grün weiterentwickelt werden, das Ergebnis wird aber Moos- oder Graugrün statt einem satten Grün. Dieses ist nur durch Doppelfärbung von Blau und Gelb erzielbar.

Rot und Orange: Ahornwurzeln, Himbeeren, Färber-Distel/Saflor (färbt ohne Beize Wolle, Seide und Leinen in orange, rosa und rot)

Braun und Schwarz: grüne Walnussschalen (ohne Beize), Zwiebelschalen, Eichenrinde, Faulbaum

Blau und Violett: Zwergholunder, schwarzer Holunder, Heidelbeeren (ergibt in braun-violettes Ergebnis)

 

Quellennachweis:


Englisch summary: This article deals with plant dyes in medieval times, their availability for rural and urban folks, the colours of nobility and it contains a list of popular dye plants and their respective colours. If you are interested in this topic, I recommend you read Rosalie Gilbert's post on Medieval Dyestuffs, Dyeing and Colour Names.