Seide zu Gold spinnen / spinning gold threads

Geschrieben in Sticken am 04.07.2019 von Eva-Maria

Stroh zu Gold gesponnen wird nur im Märzchen Rumpelstilzchen. Aber Seide zu einem Goldfaden zu veredeln, diese Kunst beherrschten bereits die Goldspinner im Mittelalter. Dabei war Goldfaden nicht gleich Goldfaden, und nicht alles Gold was glänzt, wie unsere Recherche zur Produktion der kostbaren Fäden zeigte.

Prinzipiell gab es mehrere Möglichkeiten, Gold in Textilien bzw. Stickereien zu verarbeiten. Die älteste und teuerste Methode ist dabei, reines Gold zu flacher Folie zu hämmern, in schmale Streifen ("Lahn") zu schneiden und direkt in Textilien zu verweben. Eine Methode, die bereits in der Bibel, bei Exodus 39:2-3 erwähnt wird[1] und dessen frühester Nachweis in einem auf das 4. Jhdt. v. Chr. datierten mazedonischen Königsgrab zu finden ist[2]. Dabei kam nicht nur reines Gold zum Einsatz, sondern auch vergoldete Silberfolien oder Gold-Kufper-Gemische[3]. Trotzdem waren der Materialaufwand und die dadurch entstehenden Kosten beträchtlich und die fertige Textilie recht schwer und steif.

japanischer Echtgold-Faden mit knapp 1/2 mm Durchmesser

Als Lösung bot sich an, dünne Metallstreifen spiralförmig um ein organisches Trägermaterial ("Seele") aus Seide, Leinen etc. zu wickeln und so einen flexibleren Faden zu erzeugen. Schon die Römer kannten diese Technik und es gilt als wahrscheinlich, dass diese Art von Goldfäden mithilfe einer Spindel hergestellt wurde[2]  (vlg. Ausgrabungen in der römischen Nekropolis von Cádiz in Spanien, die auf das 1. Jhdt. v. Chr. bis Anfang des 1. Jhdt. n. Chr. datiert wurden).

Noch ungelöst ist allerdings die Frage, wie die Goldspinner die benötigte Länge des Metalls für die Umwicklung der Kernfäden erzeugten. Wurden dafür aus Blattgold geschnittene Streifen vorher zusammengesetzt oder direkt am Faden gestückelt? Oder wurde überhaupt flach gehämmerter Golddraht bzw. vergoldeter Draht verwendet, der in größerer Länge hergestellt werden konnte? Wenn man bedenkt, dass für die Stickerei auf dem aus dem 11. Jahrhundert stammenden Ungarischen Krönungsmantel 60 Goldfäden je Quadratzentimeter verwendet wurden, scheint einiges dafür zu sprechen, dass für die Produktion des Fadens nicht Blattgold, sondern flach gehämmerter Golddraht verwendet wurde. Die Technik des Drahtziehens war schließlich seit dem frühen Mittelalter bekannt[1]. 

Das erhaltende Fundgut spricht jedenfalls für beide Herstellungsarten. In Untersuchungen wurden Fäden bestimmt, deren Metall nur auf der Außenseite vergoldet ist, was auf eine Herstellung aus vergoldetem Blattsilber hindeutet und in zeitgenössischen Quellen als "Or de Milan", also "Milaneser Gold" bezeichnet wurde. Bei anderen wiederum ist der gesamte Metallstreifen vergoldet, auch innen, wo er unsichtbar an der Fadenseele anliegt, was wiederum das Flachhämmern eines vergoldeten Drahtes nahelegt[2]. Übrigens: Als "wire-gold thread" oder "tir-tir"-Faden (türkisch)[2] ist uns diese Art des Goldfadens bis heute erhalten geblieben, wird nun aber auschließlich für Stickereien in Anlagetechnik verwendet.

Hier ist schön zu erkennen, wie das Metall um die textile "Seele" gewickelt wird. 

Wie auch immer, Preis und Materialaufwand machten die Goldfäden zu einem Luxusprodukt für die oberen Klassen. Das änderte sich jedoch mit der Erfindung des "cyprischen Goldes", das mit 11. Jahrhundert in der historischen Literatur erwähnt wird[3]. Hier handelt es sich um einen sogenannten "Kompositfaden" aus mehreren Bestandteilen. Blattgold wurde auf eine tierisch Membran aufgebracht, diese in feine Streifen geschnitten und um eine Fadenseele gewickelt. Als "Häutchengold" zog der so produzierte Goldfaden seinen Siegeszug durch Europa an und wurde in großer Menge in Textilien und Stickereien verwendet. Zwar war das Häutchengold weniger glänzend und widerstandsfähig und rieb sich auch schneller ab, die billigere Herstellung, das geringere Gewicht und die einfachere Verarbeitung glichen dieses Manko jedoch aus und verhalfen dem Faden zu ungebrochener Popularität bis ins 16. Jahrhundert[3]. So wurde im Europa des 13. und 14. Jahrhunderts wurde fast ausschließlich Häutchengold verwendet[1]

Auch dabei gab es verschiedene Arten und Qualitäten. Das Trägermaterial für das Gold konnte Leder, Papier oder eine tierische Membran sein. Hier kamen oft Darm- oder Magenhaut, sowie das Organe ummantelnde Bauchfell zum Einsatz, manchesmal auch die  Epidermis[4]. Erstaunlich ist die Feinheit, mit der die Streifen geschnitten wurden. Sie sind oft weniger als einen Viertel Millimeter breit[1]. Wurde Häutchengold in italienischen oder deutschen Werkstätten hergestellt, war die Fadenseele gerne aus Leinen, wahrscheinlich sowohl aufgrund der leichteren Verfügbarkeit wie auch aus Kostengründen. Höherwertigere Goldmembranfäden wurden aus dem Orient über Italien importiert. Dabei zeichneten sich jene aus Byzanz dadurch aus, dass sie breiter und schwerer waren und immer um eine gelbe Seidenseele gewickelt. Jene aus Zypern hingegen waren dünner und enthielten eine gelbe oder rote Seele[2].

(c) Karatzani Anna: Metall threads: the historic development, conference paper, 2014

Spannend ist auch die Frage, wie das Gold auf die Trägermembran aufgebracht und fixiert wurde. Hier kann einerseits an mechanische Methoden (zB Hitze, Druck...) gedacht werden, andererseits an den Einsatz eines Bindemittels (z.B. Eiweiß oder Eigelb)[2]. Das Gold könnte entweder als Blattgold in Folienform aufgebracht oder als Pulver aufgetupft worden sein. In beiden Fällen könnten sowohl die natürliche Feuchtigkeit der Darmhaut genutzt bzw. ein Bindemittel eingesetzt worden sein, um das Gold dauerhaft an das Trägermaterial zu binden. In manchen Abhandlungen werden hier neben Eiweiß und Eigelb auch tierisches Fett, Fischkleber oder Tonerde als mögliche Bindemittel genannt[4].

Nahaufnahme des Goldfadens

Eine Analyse aus dem Jahr 2017 befasste sich genau mit dieser Frage und kam zu einem interessanten Ergebnis. Das Forscherteam fand in einem Experiment heraus, dass nicht zwangsläufig ein Bindemittel verwendet worden sein musste, um das Gold auf der tierischen Membran zu fixieren. Nachdem das Fett von der Membran gekratzt und diese gewaschen worden war, wurde sie in feuchtem Zustand aufgespannt. Unmittelbar danach wurde Blattgold aufgebracht und die vergoldete Haut über Nacht getrocknet. Anschließend konnte sie in Streifen geschnitten und um eine Fadenseele gewickelt werden (auch hier war kein Bindemittel nötig, die Wicklung allein reichte aus, um die Membran an Ort und Stelle zu halten). Die Ergebnisse dieses Experiments deckten sich auch mit den Analysen von Goldfäden aus dem 14. Jahrhundert, welche das Forscherteam durchführte und wo kein Bindemittel auf Ei-Basis nachgewiesen werden konnte (wäre allerdings ein Kleber auf Kollagenbasis verwendet worden, hätte sich dieser nicht separat nachweisen lassen, vor allem wenn er von der gleichen Tierart gestammt hätte wie die Trägermembran). Allerdings konnten sie belegen, dass die verwendeten tierischen Membrane wahrscheinlich aus der Darm- oder Magenhaut von Kühen stammten, wenn sie auch nicht deren Rasse oder geografische Herkunft bestimmen konnten[4] und damit auch nicht die Produktionsstätte der Goldfäden. 

Erst das Aufkommen der schweren Samtbrokate mit Goldfäden im Spätmittelalter erforderte eine Rückkehr zu den strapazierfähigeren Goldlahnen, die das Gewicht des Stoffes tragen konnten. Doch auch hier wurde aus Kostengründen vermehrt vergoldetes Silber oder eine vergoldete Silber-Kupfer-Legierung verwendet. Zur Herstellung wurde eine dickere Silberfolie von oben mit Blattgold und von unten mit Blattsilber belegt, zur Verbindung der Schichten gehämmert und anschließend die geschnittenen Streifen um die Fadenseele gelegt. Auch Messinglahn, der optisch dem Gold glich, aber schneller korrodierte, kam zum Einsatz[3].

Moderner japanischer Echtgold-Faden mit 1mm Durchmesser. Die gelbe Seidenseele ist gut erkennbar. 

Heutzutage sind Echtgoldfäden, die den mittelalterlichen Originalen entsprechen, eigentlich nicht mehr zu bekommen. Häutchengold am Ähnlichsten ist das sogenannte "Japangold", bei dem (auf Papier aufgebrachte) Metallstreifen um eine Fadenseele (Polyesther, Baumwolle, manchmal Seide) gewickelt werden und die auch mit Echtgoldanteil erhältlich sind. Im Vergleich zu den mittelalterlichen Originalen glänzen sie allerdings mehr, da der Anteil an "billigen" Metallen wie Messing etc. in der Legierung höher ist als bei den Fäden aus dem Mittelalter. Auch Smooth Passing Gold Threads mit 2% Goldanteil, die  heutzutage für Stickereien auf Uniformen eingesetzt werden, sind ein guter Ersatz. Midori Embroidery, Golden Hinde Goldwork und Benton & Johnson führen entsprechende Fäden und stehen auch gerne beratend zur Seite. In Österreich bietet M.Maurer hervorragende Qualität und tolle Beratung. 

 

Englisch summary: In medieval times, various kinds of gold threads existed. There were metal wire or flattened strips used directly in weaving/embroidery as well as composite threads: metal wire or strips wound around a fiber core, metallic surface applied to organic wrappings wound around a fiber core ("membrane metal threads") or gilded leather strips[4] [1]. If you are interested in further details, please consult the literature given below.

Nowadays it's nearly impossible to find real gold threads approximating the medieval ones in quality. Japanese Gold Threads (only the ones containing real gold) and 2% Smooth Passing Gold Threads are the closest you can get. Check out Midori Embroidery, Golden Hinde Goldwork or Benton & Johnson for some nice sparkly threads. In Austria, you could also contact M.Maurer for goldwork supplies.


Literatur / literature:

[1] Járó Márta: Gold Embroidery and Fabrics in Europe: XI - XIV Centuries, in: Gold Bulletin , Volume 23, Issue 2, pp 40–57, https://doi.org/10.1007/BF03214711

[2] Karatzani Anna: Metall threads: the historic development; Keynote speaker at Traditional Textile Craft - An Intangible Cultural Heritage? The Jordan Museum, Amman, 24th -27th of March 2014

[3] Dreyspring Brigitte: Textile Funde bei Bestattungen, unter besonderer Berücksichtigung der Metallfäden, im Kreuzgangbereich des Stifes St. Arnual, in: Leben und Sterben in einem mittelalterlichen Kollegiatstift: Archäologische und baugeschichtliche Untersuchungen im ehemaligen Stift St. Arnual in Saarbrücken, Herrmann, Hans-Walter • Selmer, Jan [Hrsg.]. Saarbrücken (2007) S. 419-428.

[4] A.K. Popowich, et al., Characterization of membrane metal threads by proteomics and analysis of a 14th c. thread from an Italian textile, Journal of Cultural Heritage (2017), https://doi.org/10.1016/j.culher.2018.03.007