Paternoster in Tirol

Geschrieben in Alltag, Kleidung am 12.05.2016 von Eva-Maria

In diesem Blogpost soll es um die Form der Paternoster gehen, die in Tirol verwendet wurden. Für allgemeine Informationen, welche Realien und Funde es zu Paternostern in Europa gibt, verweise ich auf den von Anna Gottschall, University of Birmingham, 2008 veröffentlichen Artikel Prayer Bead Production and use in Medieval England. Darin wird die Vielfalt des Materials für die Gebetsperlen ebenso thematisiert wie die Form der Schnur oder die Anzahl der Perlen. Ich erspare mir daher die Hintergrundinformationen und präsentiere euch gleich meine Überlegungen zur Gestaltung der Gebetsschnur im mittelalterlichen Tirol.


Bildquellen

Die meisten Grabreliefs und Fresken zeigen fast ausschließlich Frauen mit Paternostern in den Händen. Männer werden zumeist mit zum Gebet erhobenen Händen abgebildet, seltener auch eine Paternosterschnur in der offenen Form haltend. Auffallend ist, dass die dargestellten Frauen alle den Paternoster in der geschlossenen Form verwenden und dieser im Vergleich zu jenem der Männer weitaus mehr Perlen umfasst (bis zu 150). Dabei können die Perlen in Gruppen zu 5 oder 10 Perlen aufgeteilt und mit größeren Teilungsperlen (auch in einer anderen Farbe) strukturiert werden oder aber sie sind alle gleich groß und von der gleichen Farbe.

Während in anderen europäischen Ländern der Paternoster mit einer Tassel verziert oder einfach nur zum Ring geschlossen wird, weisen die Tiroler Bildquellen manchmal ein - vermutlich metallenes - Zwischenstück aus. Wie genau es gestaltet war, darüber lässt sich mangels erhaltenen Realien nur spekulieren. Auf manchen Reliefs scheint es ein flaches Stück zu sein - ähnlich den heute verwendeten Zwischenstücken für Rosenkränze -  andere Abbildungen aus dem 15. - 16. Jahrhundert stellen aber eindeutig Kugeln oder Würfel dar. Wahrscheinlich gab es unterschiedliche Ausprägungen dieses ebenso religiösen sowie ständegeprägten Gegenstands, der je nach Wohlstand und Status der/des Betenden gestaltet wurde. So sind bespielsweise Stifterfiguren öfter mit längeren und kostbareren Paternostern dargestellt als Pilger.

 

Pilgerdarstellung aus der Kirche St. Georg,
Schenna, ca. 1380 -1400
geschlossener Paternoster, alle Perlen gleich
groß und weiß - wahrscheinlich Knochen
Epitaph der Klostergründer Johann Kummers-
prucker und seiner Frau Anna von Kastelbark,
Augustinerkirche Rattenberg, ca. 1390
geschlossener Paternoster mit flachen Ringen -
wahrscheinlich Knochen
Altarbild Martyrium der Hl. Ursula, Innsbruck, ca.1448
geschlossener Paternoster; alle Perlen gleichfarbig,
mit Zwischenstück; Paternosterschnur
mit Tasseln; die gelbe Farbe könnte auf echte
Perlen hindeuten
Grabplatte für Anna Hofer, Stadtpfarrkirche
Schwaz, ca. 1493
geschlossener Paternoster; alle Perlen gleich
groß, mit Zwischenstück
Stifterbild aus St. Jakob, Grissian, ca. 1395 - 1400
geschlossener Paternoster mit roten Perlen und
metallfarbenen Trennperlen; mit flachem
Zwischenstück (aus Metall?)
 

Farben, Formen & Materialien

Die meisten Abbildungen zeigen glatte Perlen oder flache Ringe. Eine beliebte Perlenfarbe war - wohl aufgrund der Blutsymbolik - Rot, das häufig mit metallenen Perlen (Messing, Gold, vergoldetes Metall) kombiniert wurde. Von Funden aus Europa wissen wird, dass dies Korallenperlen oder aber auch Glasperlen sein konnten. Auch cremefarbene Perlendarstellungen, die auch echte Perlen hindeuten könnten, kommen vor. Dann gibt es noch weiße Perlen oder flache Ringe, die auf Knochen als Material hindeuten könnten. Dies würde sich auch mit den Funden aus Bozen und Hall decken.


Paternosterfunde aus Tirol

  • Hall in Tirol/ Bezirk Innsbruck-Land/ Nordtirol: In der Salvatorkirche wurden Rosenkränze mit facettierten Perlen aus Gagat gefunden, die auf das Spätmittelalter datiert wurden und sich heute in Privatbesitz befinden. (Quelle: Forum Hall in Tirol, Neues zur Geschichte der Stadt)
  • Bozen/ Provinz Bozen/ Südtirol: Bei einer Stadtkerngrabung unter den Lauben wurden Perlen aus Knochen und Knochenringe als Teil von Paternosterschnüren identifiziert. In der dazugehörigen Publikation "Stadtkerngrabung in Bozen - Ein Keramikkomplex des 13. bis 16. Jahrhunderts aus der Laubengasse" wurden die Paternoster in mehrere Kategorien eingeteilt: mittellanger Typ aus 25-50 Perlen, kleine Paternoster aus 10-25 Perlen und lange Paternoster mit 150 Perlen, die vorwiegend von Frauen verwendet wurden.
  • Fleimstal/ Provinz Trient/ Trentino: In der Pfarrkirche St. Blasius in Truden wurden unter dem Holzfußboden verlorenen Paternosterperlen, Zierbeschläge, Knöpfe und anderes Gewandzubehör sowie Münzen gefunden. Mithilfe dieser als Datierungsquelle konnten die Kleinfunde auf die zweite Hälfte des 13. und die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts datiert werden; Die kleinen Beinscheiben belegen die Beliebtheit von Gebetskränzen in dieser Zeit. Mit den Beinringen auf dem Lehmestrich der ersten Kirche lässt sich der Gebetskranz aus großen Ringen in das 12. Jahrhundert zurückverfolgen. Eine Besonderheit stellt der Fund von Glasperlen dar, die in St. Blasius häufig vertreten sind, in anderen Fundkomplexen dagegen äußerst selten. (Quelle: Hans Nothdurfter: Die Pfarrkirche St. Blasius in Truden. Grabungsbericht Kurzfassung)
  • Weitere Vergleiche, wenn auch aus späteren Jahren, finden sich in Maria Trost in Untermais und St. Laurentius in Kortsch und auf Burgen wie Schloss Bruck, der Ruine Greifenstein und Schloss Tirol. (Quelle: mittelalter.it)

Ein Detail am Rande

Der Name „Paternoster“ bedeutet „Vater unser“ und bezieht sich auf das Gebet, dessen Wiederholung mithilfe der Gebetskette abgezählt wurde und die sich später zum Rosenkranz in der heutigen Form entwickelte. Der Ursprung des Begriffs lebt heute noch in Südtirol weiter, wo im Pustertal Rosenkränze als „Patter“ und im Vinschgau als „Nuster“ bezeichnet werden. (Quelle: mittelalter.it)

 

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