Von Knöpfen und (Halb)Kreisen

Geschrieben in Kleidung am 22.03.2016 von Eva-Maria

Bekanntlich tut ein Mantel gute Dienste und ist für jede Mittelalterdarstellung unverzichtbar. Er hält nicht nur Wind und Wetter ab und kann zuweilen als Decke dienen, nein er zeugt auch von sozialem Rang und Modebewusstsein der mittelalterlichen Dame. Nicht umsonst werden Heilige immer mit einem Mantel dargestellt und auch auf Grabplatten und bei der Darstellung von Stifterfiguren werden die hochgestellten Adeligen stets mit dem Mantel bekleidet abgebildet. Dabei sind für Frauen vor allem Tasselmäntel und Nuschenmäntel angesagt. Beide Formen sind zwar sehr kleidsam, jedoch höchst unpraktisch für eine Frau, die als Handwerkerin einer körperlichen Arbeit nachgeht und deren finanzielle Möglichkeiten beschränkt sind. Für meine Darstellung als Stickerin habe ich mich deshalb auf die Suche nach anderen Mantelformen gemacht. Ulrich Lehnart erwähnt in seinem Werk "Kleidung und Waffen der Spätgotik I & II" die HEUKE als Form des Frauenmantels, der im Vergleich zur Heuke der Männer zwar auch mit Knöpfen verschlossen wird, den Verschluss aber nicht auf der rechten Schulter sondern über der Brust trägt. Bei meiner Recherche nach Bildquellen, die genau so eine Verschlussform zeigen, bin ich doch tatsächlich fündig geworden.

Statue an der Notre-Dame Kathedrale in
Straßburg, Frankreich

Datierung: gotisch

Kluge Jungfrau am der Westfassade des
Straßburger Münsters, Frankreich

Datierung: gotisch 

Maria van Henegouwen (gest. 1344) in der St.
Nicolaaskerk (St Nicholas's Church), IJsselstein,
Utrecht

Datierung: 1325- 1375

 Jeanne le Perdrier in Blancs-Manteaux, Paris,
Île-de-France, Frankreich

Datierung: ca. 1420

Guilelmus Durantis "Rationale divinorum
officiorum", Wien, ÖNB cod. 2765, fol. 57r

IMAREAL Bild-Nr: 006197A

Datierung: 1385 - 1406

 

 

Meine Interpretation:

Frauenmäntel, die mit Knöpfen verschlossen wurden, scheinen eher die Ausnahmen denn die Regel gewesen zu sein. Andererseits schreibt Heinrich der Teichner in seinem Gedicht Nr. 539541 "ſo iſt nindert ein ordnung dran, do ein weib get als ein man und ein man in weibs maz. ez fugt armen leuten paz dann kein dink auf ertreich, daz die mentel ſint gleich.", was wieder darauf hindeuten würde, dass die Heuke durchaus auch von Frauen getragen wurde, zumindest in den niederen Ständen. Ich persönlich denke, dass die vorwiegende Darstellung von Damen mit Nuschen- oder Tasselmänteln auch dem Geschmack der Zeit geschuldet ist. Grabstatuen und Kirchenschmuck sind ja quasi "für die Ewigkeit" gemacht und da war von den Auftraggebern gewünscht, dass die Figuren Stilbewusstsein, Frömmigkeit und Eleganz zur Schau stellen. Das erklärt auch, warum Statuen im Vergleich zu Illustrationen meist konservativer gekleidet sind - für das meist kirchliche Umfeld war das standesgemäß und angemessen. So würde ich interpretieren, dass für Frauen höherer Stände der bodenlange wie faltenreiche Tassel- bzw. Nuschenmantel für den öffentlichen Auftritt ein Muss war, während Bürgerinnen & Handwerkerinnen gegebenenfalls auch mit einer anderen Mantelform auskamen.