wiltu machen ein gutt musz - Historische Kochbücher und andere Quellen

Geschrieben in Kochkunst, Links am 20.12.2015 von Carmen

"Douce Ame" aus "The Forme of Cury"
Foto (c) Eva-Maria Kienast

Als ich vor einigen Jahren mit dem Hobby "Mittelalter" begonnen hatte und meist als normaler Besucher auf Mittelaltermärkten und -festen unterwegs war, konnte ich mir nicht so recht vorstellen wie Küche und Essen im Mittelalter wohl ausgesehen bzw. geschmeckt haben. Es dominierten an den Ständen die Klassiker Spanferkel und Schweinsbraten. Alles natürlich in falscher Klamotte serviert und unter dem Deckmantel "Mittelalter" präsentiert, um es schließlich auf einer Bierzeltgarnitur zu verzehren. 

An dieser Stelle möchte ich Eva-Maria meinen aller größten Dank aussprechen, dass sie mich auf den "Weg der Erleuchtung" geführt hat, und mir mit ihrem immensen Wissen und ihrer großen Geduld gezeigt hat, was es bedeutet mittelalterliche Gerichte basierend auf Originalrezepten zuzubereiten. Nicht nur war es für mich komplett neu über offenem Feuer zu kochen, auch waren mittelalterliche Rezepte ganz anders als ich es mir vorgestellt hatte. Sie waren viel raffinierter und leckerer als gedacht, und so habe ich mich in den letzten ein bis zwei Jahren vermehrt damit beschäftigt mittelalterliche Rezepte für mich neu zu entdecken, und zu lernen mit den damals gegeben Hilfsmitteln umzugehen.

Um den Einstieg in die mittelalterliche Küche etwas zu vereinfachen, möchte ich in den folgenden Absätzen einige Quellen vorstellen, die als guter Einstieg zu dem Thema dienen. 

Online Quellen

Glücklicherweise gab es schon vor mir viele andere Living History Darsteller, Historiker, Sprachwissenschafter und Archäologen, die sich ausgiebig mit der Materie beschäftigt haben. Viele von diesen schreiben selbst Blogs oder haben Webseiten, wo sie ihre Ergebnisse und Erfahrungen teilen, oder Übersetzungen und Faksimile bereit stellen. Da ich selbst gerne auf Berichte zurückgreife - man will das Rad ja nicht immer selbst erfinden - möchte ich kurz ein paar meiner liebsten Online-Quellen vorstellen.

Medieval Cookery
URL: http://www.medievalcookery.com
Englischsprachige Seite mit einer riesigen Sammlung von Rezepten, Faksimile und Übersetzungen. Vermutlich die umfangreichste Quelle zum Thema mittelalterliche Küche, die derzeit online verfügbar ist.

Das Mittelalterkochbuch
URL: http://www.dasmittelalterkochbuch.de
Deutschsprachige Seite mit vielen Rezepten zum Nachkochen quer durch das Mittelalter. Viel Infos und Hintergrundwissen.

One Year and Thousand Eggs & Let hem boyle...
URL: https://oneyearandoneth.wordpress.comhttp://lethemboyle.com
Finnischer bzw. Englisher Blog mit tollen Rezepten und Erfahrungberichten zu historischen Rezepten des 13.-16. Jahrhunderts.

 

Historische Kochbücher

Seit der Rezeptsammlung “De re coquina” ("Über die Kochkunst"), einer im 4. Jhd. nach Christus entstanden Sammlung beliebter Römischer Rezepte, die einem Apicius zugeschrieben oder gewidmet war, gibt es fast 800 Jahre lang kaum Aufzeichnungen, wie und was in Europa gekocht wurde. Erst Ende des 13. und Anfang des 14. Jahrhunderts tauchen die ersten Kochbücher auf, die Einblicke in die damaligen Küchen geben. 

"The Form of Cury", English MS7,
University of Manchester

Die ersten mittelalterlichen Kochbücher stammten unter anderem aus Deutschland, Frankreich und England. Es handelte sich bei ihnen um Sammlungen unterschiedlichster Rezepte ­von einfach bis sehr ausgeklügelt­. Meist ist es nicht klar, ob sie von einem einzelnen oder mehreren unbekannten Autoren stammen. So enthält das “Liber de coquina” zwei getrennte Teile, den “Tractatus” und das “Liber de coquina”, die man eindeutig zwei verschiedenen Autoren zu ordnen kann.

Rezepte in diesen frühen Kochbüchern sind mehr kurze, stichwortartige Angaben, wie man bestimmte Gerichte zu bereitet. Es finden sich nur äußerst selten Mengenangaben in ihnen wider und die Autoren setzten oft Grundwissen voraus. So ist davon auszugehen, dass diese Sammlungen nicht wie heutzutage für eine breitere Masse geschrieben wurden, sondern als Geistesstützen für einen selbst dienten. Durch diese Stichwortartigkeit ist es jedoch für uns heute sehr schwer abzuschätzen, wie die Gerichte, die aufgezeichnet wurden, schmeckten. Die Mengen an Gewürzen und Zutaten können stark variieren und somit kann ein Gericht basierend auf ein und demselben Rezept bei zwei Köchen komplett unterschiedlich schmecken und aussehen.

Im Folgenden findet sich eine kurze Auflistung von Kochbüchern des 13. und 14. Jahrhunderts, die als meine Hauptquellen und -inspiration dienen. Meist gibt es von diesen Faksimile Ausgaben günstig im Buchhandel zu finden oder sogar online.

Kitâb al Tabîkh (The Book of Dishes). Muhammad bin Hasan al­Baghdadi. 13. Jhd. 
Manuskript MS Ayasofya 3710. Istanbul, Türkei. 

Le Viandier (Le Viandier de Taillevent). Guillaume “Taillevent” Tirel. Urversion ca. 1320, Sion, Wallis, Schweiz. 
Version von “Taillevent” ca. 1390. Bibliothèque nationale, Paris, Frankreich.

Liber de coquina (Das Buch der guten Küche). Unbekannt. ca. 1304–1314 bzw. 14. Jhd. 
manuscrit latin 7131,  fol. 94r–99v, Bibliothèque  nationale, Paris, Frankreich.
manuscrit latin 9328, fol. 129r–139v, Bibliothèque nationale, Paris, Frankreich.

Das Buoch von guoter Spise (Das Buch von guter Speise, auch “Würzburger Kochbuch”). Teil des “Hausbuch des Michael de Leone”. ca. 1350. 
156r – 165v, 21. Kapitel, Signatur 2° Cod. ms. 731, Cim. 4. Universitätsbibliothek München, Deutschland. 
Digitalisierte Original ­Version: http://epub.ub.uni­muenchen.de/10638/.
Digitalisierte Version mit Englischer Übersetzung: http://www.medievalcookery.com/etexts/buch.html

The Forme of Cury (“cury” vom Franz. “cuire” = “kochen”). Chief master cooks of King Richard II. ca. 1390. 
Übersetz von Samual Pegge, 1780.
Digitalisierte Original Version: http://www.medievalcookery.com/notes/ms7links.html
Online Version der Ausgabe von Samual Pegge: http://www.gutenberg.org/ebooks/8102

 

Ich wünsche allen viel Spaß beim Stöbern durch die oben angegeben Seiten und Bücher und verbleibe somit mit meinen besten vorweihnachtlichen Wünschen,

Carmen