Gebratener Stockfisch / Wie man stockfisch mag praten - Ein Rezept aus dem Mondseer Kochbuch
Geschrieben in Kochkunst, Rezepte am 15.05.2019 von Carmen
Barbara (Sigmund von Niedertor und sein Gefolge) und Carmen haben bei der Küchenmeisterey 2017 ein Rezept für Stockfisch mit Agrestsauce und Brei aus dem Mondseer Kochbuch (ÖNB, Cod. 4995, 191r-224r, dt.-lat. Sammelhandschrift, zwischen 1439/40 und 1450 ca., Kloster Mondsee) ausprobiert und es war nicht nur für uns eine Premiere. Offenbar waren wir nicht die einzigen, die sich noch nicht getraut hatten, einmal eines der Grundnahrungsmittel des Mittelalters zuzubereiten: Zu aufwendig in der Beschaffung, zu langwierig in der Zubereitung, zu intensiv im Geschmack und Geruch und daher höchstwahrscheinlich nicht das ideale Mittagessen für eine turbulente Burgbelebung mit vielen BesucherInnen und AkteurInnen. Doch warum war der Stockfisch so zentral im Mittelalter, während er heute eigentlich völlig außer Mode gekommen ist?
Kulturgeschichtliches zum Stockfisch: Volksnahrungsmittel des Spätmittelalters
In einer Zeit, die weder heutige Sterilisierungs- noch Einweckverfahren kannte und in der es auch keine Dosenkonserven, Kühl- oder Gefrierschränke gab, waren haltbare Lebensmittel sehr wichtig. Im Gegensatz zu Krebsen und Süßwasserfischen aus der näheren Umgebung, die als Frischware gehandelt wurden und daher nicht über weite Strecken transportierbar waren, waren der eingesalzene Hering aus Schonen und der getrocknete Stockfisch aus Bergen haltbare Produkte.
Salzwasserfische spielten bis zum 10. Jahrhundert abseits der Meere nur eine geringe Rolle in der Ernährung. Danach begann ein europaweiter Handel mit Hering und Kabeljau, zwei Salzwasserfische, die sich gut konservieren, sprich einsalzen ließen. Ab dem frühen 13. Jahrhundert wurde europaweit vor allem Hering als Fastenspeise gegessen. In Mittelalter und Früher Neuzeit waren Fastenzeiten sehr zahlreich, je nach Region und Zeit oft bis zu hundertfünfzig Tage pro Jahr, und mit strengen Speisevorschriften verbunden. Neben Fleisch durften auch andere tierische Produkte wie Käse, Milch oder Butter nicht konsumiert werden. Daher waren Fische in dieser Zeit eine beliebte Fastenspeise und eine wichtige Eiweißquelle für die körperlich arbeitende Bevölkerung. Da sich der Großteil der Gesellschaft keine frischen Fische leisten konnte und auch nicht immer Zugang zu den Märkten hatte, griff man auf den Trockenfisch aus Skandinavien zurück, der von der Hanse in ganzen Schiffsladungen nach England und Europa, ja sogar bis Venedig gebracht wurde.
Die Hanse verdiente ihr Geld nicht mit den Luxusartikeln, sondern mit den Massenartikeln Bier und Fisch. Fuhrleute brachten in den Fässern, in denen sie Wein nach Norden geliefert hatten, Fisch wieder in den Süden. Seit 1277 bzw. 1374 verkehrte die Galere de Fiandra, eine regelmäßige Schiffsverbindung zwischen den Niederlanden und Genua bzw. Venedig, auf der vor allem Massengüter befördert wurden.
Herstellung
Stockfisch (holländ. stocvisch) für (trockener) Fisch auf einem Stock, auch bekannt als Rackelfisch oder durrvish, ist ein getrockneter Dorsch (also v. a. Kabeljau, seltener Seelachs oder Schellfisch), der im Norden bei Schottland und Island von Februar bis April gefangen wurde. Wann der erste Fisch auf Stöcken zum Konservieren aufgehängt wurde, ist nicht bekannt. Die Landbevölkerung ging dort in dieser nahezu arbeitsfreien Zeit dem Fischfang bzw. der Weiterverarbeitung nach, um sich ein Zubrot zu verdienen.
Beim Stockfisch werden die Fische paarweise an den Schwanzflossen zusammengebunden und auf Holzgestellen (Stockgestellen) im Schatten zum Trocknen gehängt.
Beim Klippfisch (bacalhau, baccalà, aus dem Spanischen bacalao und Flämischen bakkeliauw, was wiederum eine Metathese aus dem Holländischen kabeljauw ist), werden die Fische zum Entwässern zusätzlich stark gesalzen. Nach dem Einsalzen werden sie zum Trocknen ausgebreitet. Früher geschah das auf Felsklippen am Strand, daher der Name Klippfisch.
Durch das Trocknen verliert der Fisch erheblich an Gewicht und leider auch an Geschmack. Das Fleisch wird herb und schwer verdaulich. Vor der Verwendung musste der brettharte Fisch zuerst aufwendig nach verschiedenen Rezepten gewässert oder mit eigenen Hämmern weichgeklopft bzw. zerkleinert werden. Um den Fisch nach dieser Behandlung verarbeiten zu können, muss er einige Tage in Wasser eingeweicht werden. Er quillt dadurch fast wieder zu seiner ursprünglichen Größe auf. Da getrockneter und eingesalzener Fisch oft einen strengen Geschmack entwickelt, wird er meist mit Essig, Wein, Milch oder vielen Kräutern und Gewürzen zubereitet. Wer es sich leisten konnte, verzichtete überhaupt auf Stockfisch und bevorzugte frischen Fisch.
Davon hängt natürlich auch die Vorbereitungszeit ab. Meist steht in den Rezepten sehr wenig bis nichts dazu. Je nach Grad der Trocknung muss der Stockfisch kurz oder länger eingeweicht werden. Nur in Ausnahmefällen finden sich Zeitangaben, die einen Rückschluss darauf zu lassen, in welchem Zustand der verwendete Stock- bzw. Klippfisch denn war. Durch das mehrfache Wechseln des Wassers wird auch der Salzgehalt auf ein (mehr oder weniger erträgliches) Maß gesenkt. Auch die Zugabe von Essig soll diesen Vorgang unterstützen und zudem den strengen Geschmack etwas abmildern. Oft wird in Quellen auch davon berichtet, dass der Stockfisch im Vorfeld der Zubereitung “geschlagen” bzw. gestampft werden muss, um ihn schneller wieder weich und genießbar zu bekommen. Nachdem unser Fisch jetzt noch nicht sonderlich trocken, dafür aber ordentlich gesalzen war, hätte wohl auch eine oft empfohlene Einweichzeit von 24 Stunden gereicht. Unserer wurde aber mehr als 48 Stunden gewässert, wobei mehrfach das Wasser gewechselt wurde. Daher lieber länger Einweichen, denn ein Zuviel gibt es in diesem Fall nicht, zudem war die Geruchsentwicklung überraschenderweise minimal.
Stockfisch ist heute nur mehr selten erhältlich, daher war die Beschaffung für uns auch etwas aufwendiger. In Innsbruck war er um diese Jahreszeit nicht erhältlich. Er sei eine Weihnachtsspezialität wurde uns gesagt. Überhaupt ist Stockfisch nördlich des Brenners fast vollständig aus den Kochtöpfen verschwunden. Besorgt wurde unser Fisch dann schließlich über ein portugiesisches Restaurant in der Schweiz, denn in Portugal ist Bacalao noch immer ein sehr typisches Gericht.
Eine eigene “Einkaufsfahrt” nach Südtirol war leider nicht mehr möglich, dort ist der Stockfisch als Stockfisch-(Kartoffel)-Geröstel v. a. in der Fastenzeit, aber eigentlich den ganzen Winter hindurch, ein typisches Gericht der traditionellen Küche. Dies geht wohl auf italienische Einflüsse zurück, denn auch in der kulinarischen Tradition Italiens gibts es mehrere Rezepte mit stoccafisso bzw. baccalà. Noch heute ist Stockfisch v. a. in den nordischen und romanischen Kulturen, in Italien und im ganzen Mittelmeerraum (Spanien, Portugal) und Skandinavien sehr verbreitet. Bei uns ist er jedoch ein traditionelles Fastenessen.
Durch den starken Rückgang der Kabeljaubestände in den letzten Jahrzehnten ist der klassische Stockfisch heute relativ teuer geworden und hat somit seinen Ruf als Arme-Leute-Essen weitgehend verloren. Auch wegen seines strengen Geschmacks und seiner aufwendigen Zubereitung ist er mittlerweile eher etwas Besonderes. Erhältlich ist er im Fachhandel entweder komplett trocken, also hart wie ein Brett und federleicht, oder bereits halb- bzw. voll gewässert, wobei er wieder seine ursprüngliche Größe und Konsistenz bekommt.
Wie man stockfisch mag praten
Nim ainen stockfisch, der nicht groß ist, und thuo im die haut ab. Waich in kaltwasser, und nim in den heraus, und drük in den in essich, also das er gantz pleib.Bin im auf zwo schin und leg in auf ainen hülzenen rost, und streich das feur darunder allenthalben, das er erwarm, und laus in wol belaufen mit putter. Dar nachmach ein schönen taig von weissem melb und von airn. Dar zuo tuo gestossenpfeffer oder zuker und ain wenig saffran. Saltz es zuo massen und spreng es auf den fisch. Und wenn der fisch gar haiß sy, so slag den taig darauf und tuo kolen darunder bis das er rot werde. Also tuo im ee du in ab nemist, betröuff in vast mitputtern und gib es hin.
Mondseer Kochbuch (ÖNB, Cod. 4995, fol. 196r, Nr. 18, S. 108f.)
Teig
250 g griffiges Mehl
3 Eier (M)
Prise Salz
1 EL Butterschmalz oder Öl
Füllung
1kg Stockfisch (Trockengewicht)
Essig
Pfeffer oder Zucker
Safran
Anleitung
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Den Stockfisch mit Haut mindestens drei Tage in Wasser einweichen, so dass er wieder das entzogene Wasser aufnehmen kann und weich wird.
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Anschließend in einer Mischung aus Essig und Wasser gut durchkneten.
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Den Fisch auf einem gut eingefetteten Rost über einer Glut grillen und stetig mit Butter überlaufen lassen.
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Einen Teig aus dem Mehl und den Eiern herstellen, dünn ausrollen und in einer Pastetenform ausbreiten.
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Den fertig gegrillten Fisch von den Gräten befreien und in den Teig einschlagen.
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Die Pastete nur kurz in das Backrohr damit der Teig gebacken, aber der Fisch noch nicht wieder ausgetrocknet ist.