Jungfrau, Mutter, Greisin - die Lebensrollen der bäuerlichen Frau
Geschrieben in Alltag am 16.06.2016 von Eva-Maria
Das Leben der Frau am Land war geprägt von unterschiedlichen Anforderungen. Einerseits war sie unverzichtbare Arbeitskraft am Hof, andererseits Gattin, Mutter und Mitglied der dörflichen Gemeinschaft. All diesen Rollen lag ein gesellschaftlicher Verhaltenskodex zugrunde, dessen Einhaltung über das Ansehen der Frau in der Hof- und Dorfgemeinschaft entschied. So waren die Grenzen der persönlichen Freiheit oftmals recht eng gesteckt. In dieser Serie an Blogposts möchte ich mir die unterschiedlichen Rollen, die eine Bäuerin im Laufe ihres Lebens zu erfüllen hatte, genauer ansehen.
In Wald und Anger – Frauenarbeit in der Landwirtschaft
Die bäuerliche Wirtschaftsweise des Mittelalters war primär Subsistenzwirtschaft, sie diente also vorrangig der Selbstversorgung. Alle der Hausgemeinschaft angehörenden Menschen widmeten sich den landwirtschaftlichen Tätigkeiten. Dabei war es nebensächlich, ob die Betreffende eine junge Mutter mehrerer Kinder, Junggesellin oder Witwe, Magd oder Ehegattin war – auf dem Land halfen alle weiblichen Mitglieder des Haushaltes mit, das „tägliche Brot“ einzubringen.
Dennoch gab es eine Aufteilung der bäuerlichen Aufgaben in Frauen- und Männerarbeiten, auch wenn sich mithilfe der Monatsbilder in Stundenbüchern feststellen lässt, dass Frauen bei fast allen Arbeiten in der Feld- und Viehwirtschaft eingesetzt wurden und mitunter auch anstrengende Tätigkeiten ausführten, die später in der Regel Männern zugeschrieben wurden.
So mussten sie helfen, die Felder für die Aussaat vorzubereiten, Mist als Dünger auszubringen und beim Pflügen mitanpacken. Ihre Arbeitskraft war auch bei der Heu- und Getreideernte, beim Stroh sammeln, der Trennung der Spreu vom Weizen, den Hack- und Pflückarbeiten bei der Hopfenernte oder der Weinlese, der Schafschur und Flachsernte und -verarbeitung und bei vielen weiteren Tätigkeiten gefragt. Auch bei der Schweineschlachtung war die Bauersfrau beteiligt. Wurde das Schlachten des Federviehs von den Frauen alleine vorgenommen, so war das Schlachten größerer Tiere Gemeinschaftsarbeit aller am Hof lebenden Personen. Die Verarbeitung der geschlachteten Tiere fiel wiederum in den Zuständigkeitsbereich der Frau.
Eine sowohl geschlechter- als auch werkzeugspezifische Arbeitsteilung gab es bei manchen Feldarbeiten. Bei der Heuernte mähten die Männer mit der Sense die Wiese, während Frauen das gemähte Gras zusammenharkten und mit Holzgabeln zum Trocknen wendeten. Das Verladen auf den Heuwagen war wiederum Sache der Männer. Solange das Getreide noch hauptsächlich mit der Sichel gemäht wurde, waren hieran sowohl Männer als auch Frauen beteiligt. Primär war der Bauer jedoch für das Mähen, die Bäuerin für das Binden der Getreidehalme und das Aufstellen der Garben zuständig. Als sich mit dem 15. Jahrhundert die Sense auch für den Getreideschnitt durchzusetzen begann, verfestigte sich hier wie auch bei der Heuernte die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung zwischen dem Schnitter und der Binderin. Half die Frau dennoch bei der Kornernte mit, so tat sie dies mit der Sichel, während der Mann das Getreide mit der Sense oder der Kniesense schnitt.
Doch auch Frondienste, die am Hof des Grundherren zu verrichten waren, wurden zum Teil von Frauen erledigt. So hatten unfreie Hufenbäuerinnen während der Erntezeit auf dem Feld oder im Garten zu arbeiten, bei der Verarbeitung des Flachses zu helfen oder sie waren in der Textilproduktion tätig und versponnen die vom Grundherren zur Verfügung gestellten Rohmaterialien. Die Abgaben der Bauern beschränkten sich jedoch nicht nur auf Naturalien. Mit der Auflösung der Fronhofsverbände im 12. und 13. Jahrhundert wurden die Dienstverpflichtungen der Bauern teilweise durch Geldzahlungen („Zins“) abgelöst. Dabei trugen vor allem Frauen durch den Verkauf selbst hergestellter Produkte auf Wochenmärkten zum Familieneinkommen bei.
Die Frau war jedoch neben den Verrichtungen an der Seite des Mannes zusätzlich für die für sie typischen Tätigkeiten im Haushalt, in der Textilherstellung und in der Kindererziehung zuständig – diese werden als „Opus feminile“ bezeichnet.
Die ,,Opus feminile": Arbeiten der bäuerlichen Frau in Haus und Hof
Gerade diejenigen Tätigkeiten, die heute als typische Merkmale der Hausfrauenarbeit gelten - wie Kochen, Putzen, Waschen und die Kindererziehung - spielten im Mittelalter eine eher untergeordnete Rolle. Andere Arbeiten nahmen weitaus mehr Zeit in Anspruch. Zu den in einem Landhaushalt alltäglich zu erledigenden Arbeiten gehörten das Schöpfen von Wasser, die Pflege des häuslichen Gemüsegartens, das Einsammeln der Eier sowie die Versorgung der Hühner, die als fertige Masthühner als Abgabe am Fronhof begehrt waren. Auch das Heizen und das Schüren des Herdfeuers sowie das Sammeln von Kleinholz und Laub fielen in den Zuständigkeitsbereich der bäuerlichen Frau, während die Holzwirtschaft selbst zum Aufgabenbereich des Mannes gehörte.
Einen großen Anteil an Frauenarbeit nahm die Viehhaltung in Anspruch. Den Frauen des bäuerlichen Betriebes oblag die Versorgung des in den Stallungen befindlichen Viehs mit Ausnahme der Zugtiere. Zudem fielen das Melken der Kühe, Ziegen und Schafe sowie die Erzeugung von Butter, Käse und anderen Produkten in den allgemeinen Zuständigkeitsbereich der Bäuerin. Auch das Hüten der Kühe war ihre Sache beziehungsweise die der männlichen Kinder und Jugendlichen. Des Weiteren war die Bauersfrau für die Vorratshaltung, insbesondere für das Anlegen von Reserven und die Konservierung von Nahrungsmitteln zuständig, durch welche gerade in Zeiten von Hungersnöten das Überleben gesichert werden konnte. Nahezu ausschließlich als Frauenarbeit kann auch die Weiterverarbeitung des Getreides zu Mehl, Fladen, Brot und Bier angesehen werden. Zeitaufwendig dürfte zudem die Arbeit im hofeigenen Gemüsegarten gewesen sein, wo Hülsenfrüchte, Wurzel- und Knollengewächse, Kohl, Hirse, Kräuter, Gespinstpflanzen sowie Obstbäume angepflanzt wurden. Auch wild wachsende Grünpflanzen wie Ampfer, Sauerampfer, Rapunzel und Löffelkraut wurden gepflückt und als willkommene Zugabe zur bäuerlichen Alltagskost genutzt. Daneben wurden natürlich auch die verschiedensten Wildobstsorten, wie Walderdbeeren, Schlehen, Heckenrosen, Brombeeren, Himbeeren, Hagebutten und Holunder gesammelt und verarbeitet.
Die Spindel hüpft auf und nieder – Textilherstellung am Bauernhof
Die Textil- und Kleidungsherstellung bildete einen weiteren wichtigen Schwerpunkt der Frauenarbeit auf dem Land. Sie war derart typisch für die Frau des Mittelalters, dass der Spinnrocken für einen sehr langen Zeitraum als das Symbol der Frau galt (vgl. englisch „distaff gender“). Der Frau fiel im Rahmen der Textilherstellung nicht nur das Spinnen und Weben selbst zu, sondern der gesamte Herstellungsprozess von der Gewinnung der Rohstoffe bis zu den fertig hergestellten Kleidern lag in ihren Händen. Auch alle Tätigkeiten, die damit in Verbindung gebracht werden können, wie zB das Verarbeiten von Flachs und Hanf, der gerupft, geröstet, gedörrt, gebrechelt, gehechelt, gesponnen und schließlich verwoben werden musste sowie das Scheren der Schafe und das Kardieren, Spinnen, Verzwirnen und Weben ihrer Wolle fielen in den Zuständigkeitsbereich der Bauersfrau. Vor allen in den Wintermonaten, wenn die Feldarbeit ruhte, widmete sich die Bäuerin und die weiblichen Hausangestellten und Verwandten der Textilproduktion.
Literaturnachweis: „Jahreszeiten - Lebenszeiten - Das bäuerliche Alltagsleben im Mittelalter insbesondere aus der Sicht der Frau“, Maria Narbeshuber, 2005.