sin eliche vrouwe - Die Bäuerin als Gattin & Mutter

Geschrieben in Alltag am 04.07.2016 von Eva-Maria

„Geld zu Geld“ – unter diesem Aspekt wurden bis vor wenigen Jahrzehnten auf dem Land oftmals Ehen geschlossen bzw. arrangiert. Wer einen großen Hof und ensprechende großzügige Feld- und Ackerflächen besaß, trachtete oft danach, diese durch eine günste Verbindung mit einem anderen gutsituierten Bauernhof zu vermehren oder durch eine Zusammenlegung der Flächen zu größeren Einheiten wirtschaftliche & steuerliche Vorteile zu erzielen. Solange auch Frondienst für die Grundherren geleistet werden musste, hatten auch dieser ein Interesse an einer wachsenden Anzahl von Hörigen und dementsprechenden Eheschließungen. Als im Spätmittelalter die Fronarbeit durch monetäre Abgaben ersetzt wurde, konnte sowohl das Recht zur Heirat einer Frau als auch des Unverheiratet-Bleibens für eine Witwe an die Zahlung einer Steuer gekoppelt sein. So waren ökonomische Überlegungen – von Seiten der wohlhabenderen Bauern wie auch von Seiten der Grundherren – oftmals ausschlaggebender für die Anbahnung einer Ehe als die gegenseitige Zuneigung der Brautleute. Welchen gesellschaftlichen Zuschreibungen und Konventionen eine mittelalterliche Frau als Ehefrau und Mutter zu genügen hatte, damit beschäftigt sich dieser Artikel.


 Bäuerlicher Haushalt aus dem Tacuinum Sanitatis, ÖNB_Hs2644, ca. 1390

Die Bäuerin als Ehefrau

Mädchen des bäuerlichen Milieus im Mittelalter heirateten jung, durchschnittlich im Alter zwischen 15 und 18 Jahren (je nach Ernährungslage wurden sie in diesem Alter „zur Frau“ und bekamen ihre Monatsblutung). Das Heiratsalter der Männer lag etwa zehn Jahre höher bei circa 25 Jahren, wobei dieses Durchschnittsalter nur in wenigen Fällen mit dem tatsächlichen Heiratsalter übereinstimmte. Je nach regionalem Erbrecht (Anerberecht vs. Realteilung) und der individuellen Familiensituation heirateten Bauernsöhne gegebenenfalls schon in jungen Jahren, es war aber auch möglich, dass sie jahrzehntelang warten mussten, bis das Erbe anzutreten und somit eine Heirat möglich war. So waren große Altersunterschiede bei den Brautleuten keine Seltenheit.
Etwa ein Drittel der heiratsfähigen Mädchen und Frauen unter zwanzig Jahren vermählte sich mit älteren Gatten, bei denen es sich oftmals um Witwer gehandelt haben mag, die bei den durchaus üblichen Zweit- oder Drittehen eine jüngere Frau wählten. Allerdings finden sich in den Quellenangaben auch Fälle, die darauf schließen lassen, dass so manch ältere Witwe die Möglichkeit zur Einheirat auf einen Hof bot. Nach ihrem Tod und dem erfolgreichen gesellschaftlichen Aufstieg des Mannes folgte häufig eine Zweitehe mit einer jüngeren Gattin.

Da gerade kleinere landwirtschaftliche Betriebe ("Hufenbauern") von der Arbeitskraft beider Ehepartner abhängig waren, war hier die Schicksalsgemeinschaft "Ehe" oftmals eine Folge rationaler wirtschaftlichen Überlegungen - hing mit dem agrarischen Erfolg der Bauernschaft auch unmittelbar das Überleben der Hofbewohner zusammen. So hatte eine Ehe und die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten (v.a. bei der Arbeitsteilung der bäuerlichen Aufgaben) einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert. Wer in der Dorfgemeinschaft als vollwertiges Mitglied angesehen werden wollte, war verheiratet und führte seinen/ihren eigenen Bauernhof (am besten einen "Meierhof" mit eigenem Gesinde). Den zweitgeborenen Töchtern blieb da oft nur der Verbleib auf dem elterlichen Hof als "Großdirn" oder die Einheirat auf einen kleineren Bauernhof. Das gesellschaftliche Ansehen galt jedoch der "Bäuerin" und dann abgestuft nach Dienstgraden - den Mägden, Witwen und ledigen Mädchen.


Geburt Mariens, St. Vigil unter Weineck, Bozen, 1385-90

Die Bauersfrau als Mutter

In einer Zeit, in der Kinder die Altersversorgung ihrer Eltern waren, waren Gebärfähigkeit und Kinderreichtum unmittelbar mit dem Ansehen der bäuerlichen Frau und ihrem Status in der Dorfgemeinschaft verbunden. Die Aufgabe der Frau war es, Nachkommen in die Welt zu setzen -  konnte Sie ihrem Gatten Kinder schenken, galt sie als "vollwertige" Frau und erntete entsprechende Anerkennung. Unfruchtbarkeit hingegen war ein Scheidungsgrund und mit gesellschaftlichem Stigma behaftet.

Diese Einstellung und die spärlich vorhandenen Möglichkeiten zur Familienplanung sorgten dafür, dass Schwangerschaften und Stillzeiten die Hälfte bis zwei Drittel des Lebens der bäuerlichen Frau des Mittelalters einnehmen konnten. Da die Kindersterblichkeit jedoch recht hoch war, erreichten nur wenige Neugeborene das vierte Lebensjahr. So blieben im Durchschnitt nur drei bis vier Kinder einer Familie am Leben. Diese allerdings hatten gute Chancen, als Erwachsene ihren Eltern Unterstützung bieten zu können und sie im Alter zu pflegen und zu versorgen. Tatsachlich litten die Frauen der arbeitenden Bevölkerung infolge mangelhafter Ernährung und der schweren alltäglich zu verrichtenden Arbeit an zeitweiliger Unfruchtbarkeit, da die Menstruation aussetzte. So waren kinderreiche Familien mit 10-12 Geschwistern, wie sie während der Industrialisierung gängig waren, im Mittelalter eher die Ausnahme denn die Regel.
Vor allem die Entbindung selbst war mit einigen Gefahren verbunden. So berichten vor allem spätmittelalterliche Festordnungen von großen, gemeinschaftlichen Kindbettfeiern, die aus Freude und Erleichterung über eine gut verlaufende Entbindung abgehalten wurden. Zum Teil hatten zu dieser Feierlichkeit, wie auch zum Besuch des Wochenbettes, nur Frauen Zutritt. Doch auch die Aussegnung der Wöchnerin und ihr erster Gang in die Kirche nach der Geburt waren eine gesellschaftliche Begebenheit, dessen Ausklang zuweilen im Dorfgasthaus gefeiert wurde. Dies bezeugt die Bedeutung, welche der Status als "Mutter" für die Frauen in der dörflichen Gemeinschaft hatte.

Literaturnachweis: "Jahreszeiten - Lebenszeiten - Das bäuerliche Alltagsleben im Mittelalter insbesondere aus der Sicht der Frau“, Maria Narbeshuber, 2005.