umb ain creutz auff das messgewandt zu machen - Produktionszentren mittelalterlicher Stickerei

Geschrieben in Sticken am 08.06.2017 von Eva-Maria

Die Seidenstickerei war vor Seidenspinnerei und -weberei sowie der Seidenfärberei der erste Zweig der Seidengewerbe im Mitteleuropa des 14. Jahrhunderts. London, Paris und einige niederländische sowie deutsche Städte wurden erst dadurch bedeutende Produktions- und Handelszentren für Seidenwaren nördlich der Alpen.
'Paduan Bible Picture Book', British Library Add MS 15277, folio 16r, ca. 1400
  • In Brügge werden 1296 unter den Zünften die cultensteckers, aber noch nicht Seidenweber genannt; (mit ihnen auch noch Gold- und Silberschmiede); Eine entsprechende Gewerbeordnung für Sticker ist erstmals 1441 nachweisbar.

  • In Gent finden wir ebenfalls zuerst wapinmaker (1314), 1358 ist eine Namensliste der in der Stadt tätigen “kulktenstikkers“ erhalten. Die älteste bekannte Verordnung für Sticker in Gent datiert auf 1403.

  • In Antwerpen beschlossen die dortigen ,Goudsmeeden, Scilders, Ghelasemakers, Burduerwerkers, Houtenebeeldesniders und die Zilverbornders' 1382 eine Gilde zu formieren. 

  • In Paris gelangt die Seiden- und Goldstickerei früh zur Bedeutung; sie überwog anfangs sogar die Weberei; 1192 sind die Gewerbe der brodeurs und broderesses mit 14, das der fileresses de soie mit 8 Meistern und Meisterinnen vertreten; Erst 1300 ist das Verhältnis mit 23:36 verschoben; (zu diesen 36 treten dann noch andere mit der Bereitung der Rohseide beschäftigte Handwerker hinzu). Obwohl sie nicht als eigene Gilde in Etienne Boileaus „Livre des Metier“ (geschrieben 1250) genannt werden, führt eine Steuerliste von 1292 vierzehn Stickmeister- und –meisterinnen auf, die ihre Abgaben geleistet haben. Drei Jahre später wenden sich alle im Stickereigewerbe tätigen Personen – Meister, Meisterinnen und Arbeiter beiderlei Geschlechts – in einer Petition an den Provost von Paris, um sich die niedergeschriebenen Statuten zur Regelung des Gewerbes bestätigen zu lassen. Von den 93 genannten Personen war nur ein Dutzend männlich. Ausgehend von den Gebräuchen anderer Handwerksarten ist davon auszugehen, dass Männer die Auftragseinwerbung und den Verkauf der fertigen Produkte innehatten, während die Ausbildung & Produktion in den Händen von Frauen lag. Interessant ist auch, dass von den genannten Stickerinnen zahlreiche verheiratete Damen dabei waren, deren Ehegatten andere Handwerke ausübten. Auch wurden einige Frauen als „Taschenmacherin“ bezeichnet, die ebenfalls noch ein weiteres Gewerbe ausübten. Im Jahr 1316 umfasste die Vereinigung der Sticker in Paris 179 Personen, die sowohl Kleidung und Accessoires bestickten als auch Pferdedecken und Banner herstellten.

  • Die in England als "Silkwomen" bekannten seidenverarbeitenden Handwerkerinnen arbeiten teilweise in speziellen Vierteln eng mit anderen, zuarbeitenden Handwerkerzweigen, wie den Malern zusammen, oder gehen einer Mehrfachtätigkeit nach. Es gibt jedoch keinen Hinweis darauf, dass sie zünftig organisiert waren (auch wenn sie gemeinsam in Petitionen auftraten).

  • In Köln wird die Stickerei, wie auch die Spinnerei und Weberei, ursprünglich von weiblichen Privatpersonen als hausindustrielle Beschäftigung im Auftrage des den Rohstoff liefernden Verlegers ausgeübt. Über die Tätigkeit der Frauen im Bereich des Seidengewerbes wissen wir leider äußerst wenig, da das Gewerbe zuerst nicht zünftig organisiert war. Erst ab 1340 tauchen Namen von Seidenstickerinnen in Schriftzeugnissen auf, die eine sehr weit gehende Arbeitsteilung innerhalb der Seidenstickerei, wie sie nur bei einer gewissen Ausdehnung dieses Gewerbezweiges entstanden sein konnte, beweisen. Sie zeigen ferner, welch hohe Bedeutung das Sticken geistlicher Gewänder hatte, da gerade auf diesem Gebiete jene Arbeitsteilung eingetreten ist.

  • In Freiberg i. S. bestand die Seidenstickerei als selbständiges Gewerbe, das seit Ende des 14. Jahrhunderts im Nonnenkloster, bald aber auch von Männern, jedenfalls zunftlos betrieben wurde.

  • Auch in Frankfurt a. M. gab es im 14. Jahrhundert Seidensticker, 1377 zünftisch verbunden mit den Schneidern und Gewandscherern (snydere, sydensticker und gewantscherer);

  • Gewerbsmäßige Seidenstickerei und -näherei finden wir ferner in Mainz 1395, wo ein sydenner in der Schneiderzunft ist, auch 1404 und 1418, dann in Nürnberg um 1464, in Hildesheim um 1424.

  • Im späteren Mittelalter gab es Wappensticker in Nürnberg, Augsburg und Ulm, ferner in Haarlem, Brügge, Mecheln, Arras und Rheims.

  • In Wien finden sich Anfänge der Seidenstickerei und -weberei im 15. Jahrhundert. Nach einem Zunftverzeichnis gab es bereits 1405 Seidennäher, 1454 14 Seidenmacher und 4 Bortenwirker (Zunft seit 1428);

  • Auch in Genua wurden beide Zweige, Stickerei und Weberei betrieben.

  • Dagegen tritt die Seidenstickerei in Venedig und Zürich, wenn sie überhaupt schon vor dem 15. Jahrhundert ausgeübt worden ist, ganz in den Hintergrund.


    Quellen:

    • Hans Koch, Geschichte des Seidengewerbes in Köln vom 13. bis zum 18. Jahrhundert, Verlag von Duncker & Humblot, 1907.
    • Margaret Wade Labarge, Stitches in Time: Medieval Embroidery in its Social Setting, Florilegium 16, 1999.
    • Katja Schmitz-von Ledebur: Der Messornat des Ordens vom Goldenen Vlies: Sticker im Dienste der Burgundischen Herzöge, in: Reiche Bilder - Aspekte zur Produktion und Funktion von Stickereien im Spätmittelalter, Uta-Christiane Bergemann, Annemarie Stauffer (Herausgeber), Verlag Schnell & Steiner, 2010.