grīse loden & bunte tuoche - regionale Stoffe kleiden das Land

Geschrieben in Alltag am 20.09.2016 von Eva-Maria

Fresko aus Schloss Runkelstein, ca. 1390
Fresko from Castello Roncolo, ca. 1390

Wolle und Leinen waren in Tirol ein wichtiges bäuerliches Zinsgut; Urbare (Zinsgüterverzeichnisse) vom 13. bis zum 15. Jahrhundert und anlässlich von Erbschaftsabhandlungen und Verpachtungen aufgenommene Inventare sind voll von diesbezüglichen Hinweisen. (Vielfach wird ein 'pannus lineus' oder ein 'Pannus laneus' erwähnt). Die Schwaighöfe in Enneberg mussten dem Stift Sonnenburg, dem sie gehörten, in den Jahren 1296 bis 1315 die gesamte Wolle von 368 Schafen abliefern. Zentren nicht nur der Woll-, sondern auch der Leinenproduktion waren die Ämter Petersberg (Silz) und Nauders im Oberinntal. Auch Leinen wurde, ähnlich wie das Grautuch, zur Entlohnung von Dienerschaft und Gesinde verwendet.

Als regional produzierter Wollstoff kann das Grautuch („pannus griseus“) gelten, das von der Wolle der Tiroler Steinschafe gewonnen wurde und unter anderem als Teil der Entlohnung von Entourage und „familia“ des Landesfürsten verwendet wurde. Dieses im Land produzierte Grautuch diente zur Herstellung von ungefärbten, grauen Überröcken, die als „tunicae griseae“ in der Rechnungslegung des Heinrich Raspe, Richter von St. Petersberg, von 1338 erwähnt werden und bei denen fünf Stück einem Gegenwert von insgesamt 10 Pfund Veroneser Pfennigen und 5 Kreuzern entsprachen. Ein Zentrum der Produktion von Grautuch war nach den Raitbüchern das Oberinntal unter Einschluss des Ötztals. 1288 erscheinen aus dem landesfürstlichen Kammergut allein im Gericht St. Petersberg 228, 1297 sogar 292 Ellen Grautuch als jährlicher Zins in der gräflichen Urbarverwaltung, 1333 waren es aus denselben Gütern immerhin noch 218 Ellen. Grautuch wurde nicht nur als Naturalzins an den Grundherrn abgegeben, sondern gelangte auch in den Handel. Von Bozen aus wurde es, neben Leinen, schon 1237 nach Trient weiterverkauft.

Ein Teil des Grautuchs wurde auch in Tirol und in der Vorderen Grafschaft Görz im 13. und 14. Jahrhundert zu Loden verarbeitet. Im Pustertal ist die Herstellung von Loden schon im Hochmittelalter nachweisbar. Zentrum der Lodenproduktion war hier das Lienzer Becken. Der Loden aus dem Martell-, Schnals- und Sarntal deckte ausschließlich den Bedarf auf dem heimischen Markt, sodass kaum ein nennenswerter Posten für die Ausfuhr übrig blieb. Auch die Überproduktion an Flachs wurde als unversponnenes 'Hör' oder fertig gewebtes Tuch im Pustertal auf dem Stegener-Markt oder dem Martini-Markt verkauft oder gegen andere Dinge eingetauscht. Größere Mengen kamen auf den Markt nach Bozen.

Außer zu Tuch und Loden wurde die einheimische Wolle auch zu Filz verarbeitet. In einer bemerkenswerten Urkunde aus dem Jahr 1329 werden in Bozen Filzschuhe, „calcei vilcerati que vulgariter vilzschuhe nuncupantur“ erwähnt.

Archäologische Funde von Leinenresten in Tirol:

  • Gerüstlöcher der Krypta von Schloss Tirol (verschiedene Leinenfäden und Gewebereste sowie ein Leinengarnstrang)
  • Gewölbezwickel der Burg Lengberg
  • Ruinen der Burg Hörtenberg
  • Zwickelfüllungen von Schloss Bruck bei Lienz.

Quellen: Die Bäuerliche Nutzweberei im Gadertal, Verena Staggl, 1983
Von grauem Loden und farbigen Tuchen - Überlegungen zu Tuchhandel und Textilverarbeitung in Tirol, Armin Torggler, 2015


English summary: This article features information about a locally produced wool fabric, literally called "grey cloth", its monetary value and its use as payment for servants. Aditionally, a list of archeological findings of linen textiles in Tyrol is given.