Vom Schaf zum Faden / from sheep to stitching thread
Geschrieben in Alltag am 02.09.2019 von Eva-Maria
Die Living History Thementage "Von der Faser zum Wandbehang", die wir für das Tiroler Volkskunstmuseum vorbereiten durften, boten uns die willkommene Gelegenheit, uns tiefer mit Thematik der Wollproduktion zu beschäftigen. Wir hatten zwar zur Textilproduktion im mittelalterlichen Tirol bereits recherchiert , die praktischen Verarbeitungsschritte kannten wir jedoch noch nicht. Also starteten wir das Experiment "Vom Schafvlies zum Faden" und möchten euch hier an unseren Erlebnissen teilhaben lassen.
1. Finde das richtige Schaf
Durch unsere Recherchen wussten wir, dass das Tiroler Steinschaf die gebräuchliche Rasse im mittelalterlichen Tirol war. Daher wollten wir unbedingt an ein Vlies dieser Gattung kommen. Zum Glück werden die Tiroler Steinschafe als Arche-Rasse immer noch gezüchtet und nach einigen netten Telefonaten mit dem Spartenbetreuer hielten wir im Frühling dann das frisch geschorene Vlies eines Tiroler Steinschafs in den Händen! (Was wir allerdings nicht bedacht hatten: So ein Schaf riecht recht streng und dementsprechend war auch die Wolle nichts für feine Nasen. Vor allem die Lagerung in einer Wohnung wird nicht empfohlen, der Geruch war auch trotz Müllbeutels wahrnehmbar. )
2. Nase zu und durch
Einige Monate später boten die Mittelaltertage im Museum Tiroler Bauernhöfe den perfekten Rahmen, um mit der Verarbeitung des Schafsvlieses fortzufahren. Als erstes wurden die verdreckten Stellen des Vlieses aussortiert und der Rest grob nach Qualitäten getrennt. Tiroler Steinschafe weisen dunkelgraue, fast schwarze Deckhaare ("Grannen") über einem silbergrauen Unterhaar auf. Die dunklen Haare sollten möglichst aussortiert werden, damit die spätere Wolle von schöner silbergrauer Farbe ist (das ist besonders wichtig, wenn daraus ein Tuxer Lodenjanker hergestellt werden soll). Wir waren allerdings nur mäßig erfolgreich im Trennen (auch weil wir uns zuwenig über diesen Schritt informiert hatten) und sind gleich zum Waschen übergegangen.
3. Waschgang mit Aschenlauge
Anschließend wird die Wolle in - nicht zu heißer - Aschenlauge (Rezept zur Herstellung gibt's bei den Sorores Historiae) von Fett und Dreck befreit. Dabei ist darauf zu achten, dass die Wolle möglichst nur eingeweicht und nicht ausgedrückt wird, damit sie nicht verfilzt. Am besten wäre es wohl gewesen, sie einfach nur einweichen zu lassen, sanft zu schwenken und öfter das Wasser zu wechseln. Aber hinterher ist man immer schlauer. Wir haben sie - zweimal - in kleinen Portionen gewaschen und vorsichtig ausgedrückt. Dadurch ist sie allerdings etwas verfilzt, was das anschließende Kämmen und Kardieren etwas schwieriger machte.
4. Kämmen und Kardieren
Nachdem die Wolle getrocknet war, konnte sie zum Spinnen vorbereitet werden. Dazu müssen jedoch die Haare in dieselbe Richtung ausgerichtet und die Wolle aufgelockert werden. Dies wird durch Kämmen mit einem Paar grobzinkiger Wollkämme (für die gröberen Deckhaare) und Kardieren mit Handkarden (für die feinere Unterwolle) erreicht. Da das Internet voll ist mit guten Tutorials und Videos zu diesem Arbeitsschritt, verweisen wir darauf für detailliertere Information.
5. Spinn das Fädchen
Abschließend kann die so vorbereitete Wolle mit der Handspindel versponnen werden (und wenn man die Technik beherrscht, kommt dabei auch ein dünner, gleichmäßiger Faden raus ). Der so produzierte Faden wurde früher zu "Grautuch" versponnen und unter anderem als Teil der Entlohnung von Entourage und „familia“ des Landesfürsten verwendet. Unser Blogbeitrag "grīse loden & bunte tuoche - regionale Stoffe kleiden das Land" beleuchtet die Produktion und Bedeutung dieses Textils im mittelalterlichen Tirol genauer.
Unser Fazit:
Für unseren ersten Versuch "vom Schaf zum Faden" zu kommen, sind wir mit dem Ergebnis zufrieden. Wie immer liegt der Teufel im Detail und es gibt noch viel zu lernen - vor allem was das Kämmen und Kardieren betrifft - bevor wir ansatzweise den Arbeitsaufwand zur Herstellung von Faden nachvollziehen können.