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Geschrieben in Alltag am 10.02.2016 von Eva-Maria
Nachdem ich mich in den vorhergehenden Blogposts mit der rechtlichen Stellung der europäischen wie Tiroler Bauern im Spätmittelalter und dem Erbrecht beschäftigt habe, wende ich mich nun existentielleren Dingen zu - nämlich der Landwirtschaft selbst. Die Lebensgrundlage der Bauern war ja das Land, von und auf dem sie lebten und das sie zum Unterhalt ihrer Familien wie ihres Grundherren bewirtschafteten.
Teil 4: Nur wer arbeitet, kann auch essen
Die bäuerliche Wirtschaftsweise des Mittelalters war primär Subsistenzwirtschaft, sie diente also vorrangig der Selbstversorgung. Alle der Hausgemeinschaft angehörenden Menschen widmeten sich den landwirtschaftlichen Tätigkeiten sowie den Arbeiten im Haus. Grundeinheit in der Landwirtschaft war die Hufe (davon leiteten sich die Familiennamen Hofer und Huber ab), von der ein Bauer mit seiner Familie theoretisch leben konnte. Allerdings hing es von der Bodenqualität ab, wie groß eine solche Hufe tatsächlich war. Die Größe einer Hufe wurde vornehmlich in Tagwerken angegeben, d.h. in wie vielen Tagen sie ausreichend bewirtschaftet werden konnte.
Auch die vom Grundherrn auferlegten Leistungen wurden je Hufe erhoben. Infolgedessen waren die Bauern daran interessiert, ihre Felder in möglichst wenige, große leistungspflichtige Hufen zu teilen, die Herren dagegen bevorzugten mehrere kleinere Hufen, da diese die größeren Einkünfte brachten.
Quelle: Bäuerliches Leben im Mittelalter – Schriftquellen und Bildzeugnisse, Siegfried Epperlein, Böhlau Verlag 2003
Getreidewirtschaft und Ackerbau
Der bedeutendste Zweig der bäuerlichen Wirtschaft im Hochmittelalter war zweifelsohne die Getreidewirtschaft, u. a. auch deshalb, weil die ständig wachsende Bevölkerung versorgt werden wollte. Der zunehmende Ackerbau in Dreifelderwirtschaft brachte wegen der aufwendigen Bestellung der Felder allerdings ein Mehr an Arbeitsaufwand für die Bauern mit sich. Bei der Dreifelderwirtschaft wurde die bestellbare Fläche in drei gleich große Abschnitte aufgeteilt. Ein Drittel wurde im Herbst mit Wintergetreide bestellt, auf dem zweiten Drittel baute man im Frühjahr Sommergetreide (Hafer, Gerste) und Hülsenfrüchte an (Bohnen, Linsen, Erbsen), während der Rest brach liegenblieb. Zur Verbesserung der Viehfütterung konnten auf der Brache Futterpflanzen für das Vieh angebaut werden. Die Anbauflächen wechselten jährlich durch, um einer Auslaugung des Bodens vorzubeugen
Quelle: Bäuerliches Leben im Mittelalter – Schriftquellen und Bildzeugnisse, Siegfried Epperlein, Böhlau Verlag 2003
Trotz vieler agrarwirtschaftlicher Fortschritte blieben die Ertragsquoten in der Getreidewirtschaft relativ gering; sie lagen im Durchschnitt bei 1 : 3–4. Zudem musste eine entsprechende Menge an Saatgut für die neue Aussaat zurückgelegt werden, was gerade in Jahren mit schlechter Ernte zu besonders gravierenden Einschnitten bei der Versorgung führte. Hungersnöte waren daher keine Seltenheit.
Außerhalb des Flurzwangs liegende Ackerflächen wurden für den Eigenbedarf intensiv bewirtschaftet und mit Hülsenfrüchten, Rüben, Kohl, aber auch Waid und Krapp sowie Hanf und Flachs bebaut. Auch der Garten in unmittelbarer Nähe des Hauses wurde mit Gemüse und Obstbäumen bepflanzt; die Pflege des Gartens war Aufgabe der Frau. Neben der Kindererziehung war sie auch für die Versorgung der gesamten Hausgemeinschaft mit Nahrung und die Vorratshaltung sowie die Versorgung des Viehs – vor allem des Kleinviehs wie Hühner und Gänse, aber auch Ziegen – zuständig. Ebenso spielte die Bienenzucht eine nicht unwesentliche Rolle. Das Weben und Spinnen stellte ebenfalls eine typisch weibliche Beschäftigung dar, die vor allem in die Wintermonate verlegt wurde. Bei der Ernte mussten die Frauen aber auch auf dem Feld mithelfen und waren dort unverzichtbar; zu Frondiensten wurden Frauen ebenfalls herangezogen.
Viehzucht und Viehhaltung
Gegenüber dem Ackerbau nahm die Viehzucht eindeutig eine untergeordnete Position ein. Dies erklärt u. a. auch die geringe Zuchtqualität und Kleinwüchsigkeit bei den Haustieren, etwa bei den Rindern, die trotz ihrer im Vergleich zum Pferd geringen Arbeitsleistung als robuste Zugtiere eingesetzt wurden. Darüber hinaus war es für viele Bauern unerschwinglich, ein Pferd zu kaufen. Die Tiere wurden generell nicht besonders versorgt, vielmehr befanden sie sich meist auf der gemeinschaftlichen Weide, wo sie der Obhut des Dorfhirten anvertraut wurden.
Der Hauptlieferant an Fleisch während des gesamten Mittelalters war zweifelsohne das Schwein, dessen fetteres Fleisch besonders geschätzt wurde. Das Schwein darf man sich allerdings nicht als dem Hausschwein ähnlich vorstellen, vielmehr glich es dem heutigen Wildschwein. Schweine wurden in der Regel frei gehalten und nicht gehütet bzw. in den Wald getrieben, wo sie sich vollfressen sollten. Auch in den Städten liefen Schweine frei herum und fraßen dort den Unrat auf. In alpinen Regionen wurden dagegen naturgemäß meist die genügsameren Schafe gehalten.
Geschlachtet wurde meist im Spätherbst, da die Tiere nicht immer durch den Winter gefüttert werden konnten. Kalender zeigen daher nicht umsonst im Monat November häufig das Mästen der Tiere bzw. deren Schlachten als bäuerliche Tätigkeit. Was nicht sofort gegessen wurde, wurde durch Räuchern und Pökeln haltbar gemacht oder zu ebenfalls geräucherten Würsten verarbeitet, was den Vorteil hatte, auch minderwertiges Fleisch und Fleischabfälle verwenden zu können.
Zudem gab es Bestimmungen zur Ermittlung der Weite, bis zu der Hühner auf das Nachbargrundstück bzw. in ein fremdes Feld ohne Strafe vordringen durften. Das Dorfrecht von Schwarzenbach, Atgonshausen, St. Gallen bestimmte um 1500 „Wer ein Haus außerhalb des Dorfes besitzt oder dort eines baut, dessen Hühner sollen nicht weiter vom Haus gehen dürfen, als die im Hause wohnende Frau, wenn sie mitten auf dem Dachfirst steht, mit einer Sichel, die sie in der linken Hand an der Spitze gefasst hat, unter dem rechtem Bein fortzuwerfen vermag.“
Quelle: Bäuerliches Leben im Mittelalter – Schriftquellen und Bildzeugnisse, Siegfried Epperlein, Böhlau Verlag 2003
Handwerkliche Tätigkeiten
Neben der landwirtschaftlichen Arbeit und der Abwicklung der Hauswirtschaft waren natürlich viele handwerkliche Tätigkeiten zu verrichten, etwa das Instandhalten der Wohn- und Wirtschaftsgebäude sowie der Arbeitsgeräte. Durch das Aufkommen eiserner Geräteteile (z. B. beim Pflug) waren manche Arbeiten nicht mehr selbst zu bewerkstelligen, da dies spezielles Wissen und Fertigkeiten erforderte. Diese Reparaturen oder Neuanfertigungen übernahm nun vermehrt der Schmied. Die Tendenz hin zur Arbeitsteilung und zum ‚Einkaufen’ bestimmter Arbeitsleistungen wurde mit dem Aufblühen der Städte, die einen Absatzmarkt für bäuerliche Produkte boten, zunehmend forciert.
Plagen, Pest und Hungersnot
Heuschreckenplagen, ein Erdbeben und starke Regenfälle führten im 14. Jahrhundert zu zahlreichen Hungersnöten. Das Jahr 1313 bescherte den EuropäerInnen von Frühling bis Herbst derart starke Regenfälle, dass es zu Missernten und Hungersnöten kam. Da es um die Vorräte schlecht bestellt war, wirkten sich auch Überschwemmungen und ungewöhnlich tiefe Temperaturen dramatisch auf die Bevölkerung aus. Auf die Hungersnöte reagierten die Menschen, indem sie beispielsweise den Brotteig mit Wurzeln, Gras und Sägespänen vermengten. Wurde das Brot mit Tollkirschen oder Hanf versetzt, um so das Hungergefühl zu überdecken, konnte es zu schweren Vergiftungen kommen. Außerdem traten vermehrt Mangelkrankheiten auf, welche ebenfalls die Verbreitung von Seuchen förderten.
Zwischen 1338 und 1341 fielen in Mitteleuropa riesige Heuschreckenschwärme ein und richteten einen enormen Schaden an. Eine der frühesten Aufzeichnungen einer solchen Plage im Tiroler Raum stammt aus dem Jahr 1338. Andreas Simeoner, ein Bozner Geschichtsschreiber, berichtet von einer wahrhaft biblischen Plage: Die Sonne soll sich verdunkelt haben, so dicht seien die Schwärme gewesen, die von „Osten her, aus Asien nach unserm Festland“ zogen. Sie fraßen beinahe alles, was sich ihnen darbot, angeblich „zerkäuten [sie] auch den Frauen ihre Röcke und Mäntel.“
Verunsichernd wirkte auch ein Erdbeben, das am 25. Jänner 1348 im Villacher Raum auftrat. Mit dem Epizentrum in Friaul richtete es auch in Trient, Bozen und Venedig größere Schäden an. Die Stadt Villach wurde durch das Beben und den darauf folgenden Brand größtenteils zerstört, rund 200 Menschen starben.
Auf dem Gebiet des heutigen Österreich trat die Pestepidemie im Sommer 1348 zunächst in Kärnten und der Steiermark, 1349 dann flächendeckend auf. Durch den Bevölkerungsschwund während der Pest 1348/49 ging die Nachfrage nach Getreide zurück, es kam zu einem regelrechten Preissturz und einer Agrarkrise. Die Löhne und Preise für gewerbliche Produkte hingegen wuchsen aufgrund der pestbedingten Knappheit an Arbeitskräften deutlich.
Bedingt durch die geringere Nachfrage und die sinkenden Getreidepreise verließen viele Bauern, die bisher in Gebiete mit den schlechtesten Bodenbedingungen ansässig waren, ihre Höfe. Nicht nur einzelne Häuser, ganze Siedlungen und landwirtschaftliche Flächen wurden aufgegeben, sodass sogenannte ‚Wüstungen‘ entstanden. Vor allem im Gebirge sanken die Siedlungsdichte bzw. -grenze. Zu Wüstungen kam es regional sehr unterschiedlich: Besonders im Osten des heutigen Österreichs fielen die Wüstungen mit rund elf Prozent der Anwesen zahlreicher aus. In Tirol hingegen konnten sich aufgrund des Fernhandels und Bergbaus im Spätmittelalter neue Ballungszentren entwickeln.
Bevölkerungs- und Preisentwicklung hatten auch Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion: Die ländliche Bevölkerung ergänzte den Getreideanbau mit Buchweizen und legte neue Kulturen wie Flachs, Hopfen, Mohn, Raps, Obst, Wein und Senf an. Zudem dehnte sie die Fisch-, Fleisch- und Milchwirtschaft aus. Da beispielsweise fettreichere Speisen bevorzugt wurden, avancierte Butterschmalz zu einem wichtigen Produkt. Mit neuen Geräten wie der Butterstampfe und später dem Butterfass konnten größere Mengen hergestellt werden. Um ihr Einkommen zu erhöhen, gingen große Teile der bäuerlichen Bevölkerung auch einem Nebenerwerb nach. Dazu zählten Fuhrdienste, Tätigkeiten als Holzknecht, Müller und Schmied, hausindustrielle Produktion wie Flechten, Schnitzen, Spinnen, Weben und Besenbinden.
http://www.habsburger.net/de/kapitel/mortalitas-magna-das-grosse-sterben-die-pestepidemie-134849