Sonderfall Tirol - Bauern entscheiden mit

Geschrieben in Alltag am 02.01.2016 von Eva-Maria

Nachdem ich im letzten Blogpost die Situation der Bauern generell behandel habe, möchte ich nun auf die Stellung des Bauernstandes in Tirol eingehen. Im Gegensatz zu den restlichen Gebieten des Habsburger-Reiches waren die Bauern in Tirol traditionell mit Mitspracherecht ausgestattet und dadurch freier als ihre Standesgenossen in anderen Gebieten. Es ist nicht ganz klar, wie sich diese Eigenständigkeit entwickelt hatte, es gab jedoch einige äußere Einflüsse, die den Aufschwung des Bauernstandes begünstigten. Im 14. Jahrhundert entstand die schweizerische Eidgenossenschaft. Das Beispiel freier Bauernkantone quasi "vor der Haustüre" wirkte verführerisch auf die Tiroler Bauern. Auch der Bevölkerungsrückgang nach dem Wüten des "Schwarzen Todes" Mitte des 14. Jahrhunderts brachte die bäuerliche Bevölkerung in eine bessere Verhandlungsposition gegenüber den Grundherren. Die Mächtigen waren daher oftmals bestrebt, durch wirtschaftliche wie politische Zugeständnisse Aufstände der ländlichen Bevölkerung zu verhindern.

Teil 2: Tiroler Bauern - Mitglied der Landstände

Luttrell Psalter, 1325-35, (c) British Library, bl.uk

Die Tiroler Landstände, der heutige Landtag, sind eine Einrichtung der Tiroler Verfassung, die mit Ansätzen bis zur Gründung des Landes unter Graf Meinhard II. (1258 - 1295) zurückreicht und durch den großen Freiheitsbrief vom 28. Jänner 1342 ihre schriftliche Festlegung fand. Diese demokratische Institution, zu der in Tirol mit der hohen Geistlichkeit, dem Adel und den Bürgern auch die Bauern gehörten, kontrollierte den Landesfürsten und seine Regierung, schuf Gesetze und bewilligte Steuern. Sie war Träger der politischen Macht, bis sie 1848 von den politischen Parteien abgelöst wurde. Auch als Margarete von Tirol, genannt „Maultasch“ mangels Erben am 26. Jänner 1363 "die Grafschaften Tirol und Görz, das Land an der Etsch und im Inntal mit der Burg zu Tirol und allem, was zum Land gehört" an den Habsburger Herzog Rudolf IV. „den Stifter“, übertrug,  brauchte sie dazu die Zustimmung der Tiroler Landstände, also auch der Bauern - für die damalige Zeit ein echter Sonderfall.

Quelle: https://www.tirol.gv.at/landtag/geschichte/

Ende des 14.Jh. finden sich daher in Tirol schon viele Bauern mit ziemlich freiem Grundbesitz sowie Bauerngemeinden mit bestimmten Rechten und großer Selbständigkeit. Im 15. Jh. erscheinen die Bauerngemeinden bereits unter dem Titel „Thäler und Gerichte“ bei den Tiroler Landtagen. Obwohl in Europa wie auch in Tirol die Grundherrschaft durchgängige Praxis war, konnten sich vermutlich einige wenige Bauern und möglicherweise sogar ganze Bauerngemeinden ihre alte Germanische Freiheit erhalten. Es gibt viele einzelne Fälle, wie die Bauern allmählich bedeutender und in den Kreis des freien gesellschaftlichen Lebens einbezogen wurden z B. in Bozen schon 1293 „bei dem Hofgerichte neben Adel und Bürgern auch die Bauleute aus dem Bezirke Bozen und Keller als Miturtheilende erscheinen mußten“. Gleichzeitig fangen im 13.Jh. die Verleihungen der Bau- und Erbrechte[1] an und werden in der Folge immer zahlreicher.

Wie oben schon gesagt, ist der freie Bauernstand in Tirol eine Ausnahme, in den restlichen Habsburger Besitzungen blieben die Bauern länger hörig. Von der Zinspflicht in Form von Geld, Dienst- oder Naturalleistungen waren die Tiroler Bauern jedoch nicht entbunden. Allerdings durften sie als Erbbauern ihre Güter ihren Nachkommen vererben, was sich wahrscheinlich motivierend auf ihren Arbeitseinsatz und die Güterproduktion auswirkte.

Anmerkung 1: Die großen Grundbesitzer Adel und Klerus überließen ihren bisherigen unfreien Dienst- und Bauleuten Höfe so, daß das Eigentumsrecht zwar noch bei der Herrschaft blieb, der Hof aber gegen einen billigen Grundzins oder eine andere Abgabe auf Kinder und Kindeskinder erblich überging. Mit dieser Erbpacht ging notwendiger Weise die Aufhebung der Leibeigenschaft einher. Später, wo sich Erbpächter zum Wohlstand erhoben und der Adel immer mehr verarmte kauften sie sich von jeder Abgabe frei und wurden damit wahre freie Grundbesitzer.

Quelle: www.broschek.info/Ausnahmefall_Tirol.doc