Glaube und Gebräuche
Geschrieben in Alltag am 10.03.2016 von Eva-Maria
Im letzten Post der Serie zu Alltag und Arbeit der ländlichen Bevölkerung im Mittelalter beschäftige ich mich mit dem Einfluss, den die (katholische) Kirche auf das Leben der Bauern hatte. Sie sorgt für einen zerstörten Mythos, den man nicht erwartet hätte. Geht man davon aus, dass die Bauern im Mittelalter notorisch überarbeitet waren, lasse man sich dies auf der Zunge zergehen: In der heutigen Zeit gibt es in Österreich 13 gesetzliche Feiertage (und natürlich 52 Sonntage sowie 25 Urlaubstage, die arbeitsfrei sind - aber das ist eine Errungenschaft der jüngeren Zeit). Im Mittelalter durfte nach dem Willen der Kirche an mehr als 80 Sonn- & Feiertagen nicht gearbeitet werden (vgl. Jahr 2016 – 65 Sonn- & Feiertage). So revidiert sich das Bild ein wenig, gleichzeitig wird die Bedeutung, die diese arbeitsfreien Tage für Erholungszwecke und soziales Miteinander hatten, klar.
Teil 6: Kirchliche Feste im Jahreskreis
Eine willkommende Abwechslung zum entbehrungsreichen und harten Alltag der ländlich-agrarischen Bevölkerung boten Feste, die auch Anlass dazu waren, über die Stränge schlagen zu können. Essen und Trinken im Übermaß waren daher nicht selten. Ob Hochzeiten oder Taufen, die Dorfgemeinschaft war in die Feierlichkeiten sicherlich in irgendeiner Weise involviert. Auch die kirchlichen Feste wurden dementsprechend begangen, sie prägten den Jahreskreis in besonderer Weise. Die wichtigsten christlichen Feiertage waren Allerheiligen, Allerseelen, Ostern, Pfingsten und Weihnachten. Für den im christlichen Glauben verhafteten Menschen des Mittelalters hatte Ostern eine deutliche Priorität vor den anderen Feiertagen, denn mit der Auferstehung Jesu wurde auch die Möglichkeit der eigenen Erlösung in der jenseitigen Welt verknüpft. Der Marienboom im Mittelalter wird schon allein bei Auflistung der 9 Marienfeiertage spürbar, die im Kirchenjahr im Spätmittelalter vorkommen und offiziell gefeiert werden. Auch den Tag des Dorfheiligen bzw. die Kirchweihe begingen die Bewohner in entsprechender Form, bildete der Kirtag doch den Höhepunkt des Jahresablaufes, der dementsprechend ausgelassen begangen wurde. Daneben sind auch heute noch gepflegte Bräuche wie die Johannisfeuer oder das Setzen des Maibums, zu nennen.
Gefeiert wurde meist auf dem Dorfplatz, der das Zentrum der Siedlungen darstellte, durchaus aber auch auf dem Friedhof; dieser galt im Mittelalter als Kommunikationsort. Im Winter feierten die Menschen dagegen zusehends in den Stuben. Dies war aber erst dementsprechend möglich, nachdem sich durch den Einbau von Kaminen bzw. das Aufstellen einfacher Kachelöfen rauchfreie Wohnhäuser durchgesetzt hatten.
War das Feld gepflügt und die Aussaat beendet, so richteten sich alle Wünsche und Hoffnungen der Bauern auf eine gute Ernte. So waren schon in vorchristlicher Zeit im Frühjahr Flurumzüge üblich, bei denen durch die Felder getragene Götzenbilder die Saat gedeihen lassen sollten. Die Kirche verchristlichte solche Gebräuche und führte Bittprozessionen ein, bei denen Statuen von kirchlichen Heiligen mitgeführt und ein Saatsegen ausgesprochen wurde.
Auch mit Sprüchen und Segensformeln wurde versucht, das Vieh gesund zu halten und Krankheiten vorzubeugen. Dabei wurde an vorchristliches Brauchtum angeknüpft. Die Kirche belegte solche Praktiken mit Buße und bemühte sich, sie in christliche konnotierte Bahnen zu lenken. Besprach man vor der Christianisierung Brot mit „teuflischen Sprüche“, so empfahl nun die Kirche, entsprechende Gebete auf Brot zu schreiben und dieses den Tieren zu Verfüttern – in beiden Fällen erhoffte man sich Schutz vor Seuchen.
Quelle: Bäuerliches Leben im Mittelalter – Schriftquellen und Bildzeugnisse, Siegfried Epperlein, Böhlau Verlag 2003
Eine informative Übersicht über die Tätigkeiten und Feiertage im Monatsverlauf hat auch HistoFakt zu bieten - klickt hier einfach mal rein.
Feiertage im mittelalterlichen Tirol
Feiertage drehten sich um wichtige Ereignisse der Heilsgeschichte (Weihnachten, Ostern, Pfingsten), des Lebens der Jungfrau Maria (Empfängnis, Himmelfahrt) oder der Kirchengeschichte (Petrus als „Fels“, Paulus, die Evangelisten…). Daneben gab es noch Feiertage, die aus vorchristlicher Zeit stammten und sozusagen „katholisiert“ wurden (zB Johannisfeuer, Rauchnächte…)
Datum |
Name in Kirchenlatein |
Moderne Bezeichnung |
Brauchtum |
---|---|---|---|
1. Januar |
Circumcisio domini |
Beschneidung des Herrn (Neujahr) |
Rauchnacht |
6. Januar |
epiphania domini |
Erscheinung des Herrn auch Heilige Drei Könige |
Rauchnacht
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21. Januar |
Agnetis v.m. |
Agnes |
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25. Januar |
conversio Pauli ap. |
Pauli Bekehrung |
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2. Feber |
Purificatio Marie v. |
Fest Mariä Reinigung, auch Lichtmess |
Kerzenweihe Lostage |
5. Feber |
Igenuini et Albuini ep. |
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22. Feber |
Kathedra Petri ap. |
Petri Stuhlfeier |
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24. Feber |
Matthie ap. |
Hl. Matthias, Apostel |
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25. März |
Annuncaito Marie v. |
Mariä Verkündigung |
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27. März |
Rupperti ep. cf. |
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24. April |
Georgi m. Adelberti ep.m |
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25. April |
Marci ev. Letania major |
Hl. Markus, Evangelist |
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1. Mai |
Pilippi et Jacopi ap. |
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3. Mai |
Inventio crucis |
Kreuzauffindung |
Wettersegen |
15. Juni |
Viti, Modsti et crescentie m. |
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24. Juni |
Nativitas Johannis bapt. |
Lostag Johannisfeuer (Sonnwendfeuer) |
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26. Juni |
Johannis et Pauli m. |
Johann & Paul |
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29. Juni |
Petri et Pauli ap. |
Peter und Paul, Apostel |
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02. Juli |
Visitatio marie v. |
Mariä Heimsuchung |
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22. Juli |
Marie Magdalene |
Maria Magdalena, Heilige |
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25. Juli |
Jacobi ap. |
Hl. Jakobus, Apostel |
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31. Juli |
Dedication ecclesie Brixinensis. Tertulini m. |
Ignatius v. L. |
Kirchtag? |
10. August |
Laurentii m. |
Hl. Laurentius, Diakon, Märtyrer in Rom (258) |
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13. August |
Cassiani ep.m. Hippolyti et soc.m. |
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15. August |
Assumtio Marie v. |
Mariä Himmelfahrt |
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24. August |
Bartholomei ap. |
Hl. Bartholomäus, Apostel |
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28. August |
Augustini ep. |
Augustin, Bischof |
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8. September |
Nativitas Marie |
Mariä Geburt |
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14. September |
Exaltatio crucis |
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21. September |
Matthei ap.et ev. |
Hl. Matthäus, Apostel und Evangelist |
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29. September |
Michaelis archangeli |
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28. Oktober |
Simonis et Jude ap. |
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01. November |
Omnium sanctorum. |
Allerheiligen |
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02. November |
Memoria omnium animarum |
Allerseelen |
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06. November |
Leonhardi cf. |
Leonhard |
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11. November |
Martini ep. Cf. |
Hl. Martin, Bischof von Tours (397) |
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21. November |
Presentatio Marie in templo |
Fest Mariä Opferung |
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25. November |
Katherine v.m. |
Katharina v. A. |
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30. November |
Andree ap. |
Hl. Andreas, Apostel Andreasnacht |
Weissagungen des zukünftigen Ehemannes
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06. Dezember |
Nicolai ep. Cf |
Hl. Nikolaus, Bischof |
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08. Dezember |
Conceptio marie v. |
Fest der Unbefleckten Empfängnis |
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21. Dezember |
Thome ap. |
Thomasnacht |
Wintersonnwende Weissagungen des zukünftigen Ehemannes Schlachtung der Mettensau |
25. Dezember |
Nativitas domini |
Geburt des Herrn (Weihnachten) |
Rauchnacht |
26. Dezember |
Stephani protom. |
Hl. Stephanus, erster Märtyrer |
Hafersegen – Schutz der Pferde |
27. Dezember |
Johannis ap. Ev. |
Hl. Johannes, Apostel und Evangelist |
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28. Dezember |
Innocentum m. |
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Grundlage:
Missale Brixin. (Augsb. 1493), British Museum London.
1. Missal oder Messpuech (München 1526), Grossherzogl. Bibl. Oldenburg, unter Weglassung der nicht gefeierten Tage des Kalenders.
Bäuerliches Brauchtum
Feuerweihe – Holzscheite gegen Unwetter
Die Kirche knüpfte mit der Feuerweihe an die aus vorchristlicher Zeit bekannten Frühlingsfeuer an, die die Felder fruchtbar machen sollten. Am Tag vor Ostern wurde ein vom Priester geweihtes Feuer entzündet. Einige brennende Scheite wurden dann in das Bauernhaus getragen, und damit das auf diese Weise geweihte Herdfeuer neu entfacht. Die angekohlten Scheite wurden verwahrt und bei Gewitter zum Schutz des Hauses angezündet. Aus den Holzstücken fertigte man auch kleine Kreuze zum Schutz der Saatfelder. Auch die Herdasche galt als wirksames Schutzmittel gegen Hagelschlag und Ungeziefer.
Quelle: Bäuerliches Leben im Mittelalter – Schriftquellen und Bildzeugnisse, Siegfried Epperlein, Böhlau Verlag 2003
Wasserweihe
Geweihtes Wasser galt als Allheilmittel gegen all das, was im Bauernhaus, im Stall oder auf dem Feld an Schädlichem passieren konnte. Vor allem die Vewendung von Weihwasser gemeinsam mit Gebeten für eine leichte Geburt war weit verbreitet, wie dieses Gebet aus dem 13. Jahrhundert zeigt:
Allmächtiger Vater [ . .] teile diesem Element des Wassers deinen heiligen Segen mit, damit jedes schwangere weibliche Wesen, welches dieses Wasser trinkt und in Frömmigkeit zu sich nimmt, kraft der Verdienste deiner heiligsten Gebärerin Maria [...] aus allen ihr drohenden Gefahren gerissen werde und die Rute deines Zorns von ihrem Kind barmherzig zurückgehalten werde, dass ihre Nachkommenschaft ganz gesund aus ihrem Mutterleib hervorgehe.
13. Jahrhundert. Wasserweihe. In Franz, Adolph, Band 2, S. 197.
Den Besen tragen
Eine der zahlreichen Ehrenstrafen war das "Besen tragen", dessen Anwendung in Hessischen Weisthümern (den bäuerlichen Gerichtsakten) von 1390 überliefert ist. Das Tragen eines bestimmten Gegenstandes als Strafe ist auch in anderem Zusammenhang bezeugt. So konnte ein Edelmann dazu verurteilt werden, einen Hund zu tragen, da die Wartung der Jagdhunde als knechtische Arbeit galt. Ritter mußten mitunter einen Sattel tragen, da die Sorge um das Sattelzeug als niedere Tätigkeit angesehen wurde.
1390. Seligenstadt, Hessen. Weisthümer, Band 1, S. 504.
Den Bagstein tragen
Wegen Gotteslästerung, Fluchen, Trunkenheit, Zank, Streit, Rauferei konnten die betreffenden Frauen dazu verurteit werden, den etwa 25 Pfund schweren Bagstein (bagen = schelten, streiten) der an einer Kette oder einem Riemen um den Hals gehängt wurde, durch das Dorf zu tragen. Der Stein wurde, ähnlich wie das Dorfsiegel und das zur Kennzeichnung von Schweinen bestimmte Brenneisen, an möglichst sicherer Stelle, also beim Richter, in der Kirche oder auch in der Mühle, aufbewahrt. Der von strafbar gewordenen Frauen zu tragende Bagstein läßt sich möglicherweise von dem Mahlstein der Handmühle herleiten, die vielfach von Frauen betätigt wurde.
1512. Eipeltau am Marchfeld. Österreichische Weisthümer, Band 8, Nr. 51, S. 322.
1438 bis 1452. Ulrichskirchen, Österreichische Weisthümer, Band 8, Nr. 2, S. 12, § 15.