Glaube und Gebräuche - Weltliche Feste
Geschrieben in Alltag am 02.06.2016 von Eva-Maria
Habe ich in Teil 6 der Blog-Serie die kirchlichen Feste im Jahreskreis beleuchtet, die das Leben der ländlichen Bevölkerung in entscheidender Weise prägten und strukturierten, möchte ich mir diese Mal die weltlichen Feiern ansehen. Diese waren entweder mit dem agrarischen Jahreslauf verbunden oder zelebrierten "lebenszyklische" Ereignisse wie eine Hochzeit oder eine Geburt. Auf jeden Fall waren sie eine willkommene Abwechslung im harten Arbeitsalltag und als Vergnügungen der gesamten ländlichen Bevölkerung anzusehen. Oft kamen zu den Feierlichkeiten auch Einwohner benachbarter Dörfer - und nützten diese zum Austausch von Neuigkeiten, der Anbahnung von Geschäften oder zur Brautschau. Gemeinsam war den Feierlichkeiten, dass sie sich durch eine große Ausgelassenheit, eine unbändige Feierlaune und Lebenslust auszeichneten. So war neben dem Festmahl vor allem der allgemeine Tanz ein Highlight, dem Jung und Alt entgegenfieberten.
Teil 7: Feste feiern im Bauerndorf
Frühlingsfeste & Maifeiern
In vielen Regionen Mitteleuropas wurden im Frühling zahlreiche brauchtümliche Feste begangen, die mit dem Erwachen der Natur im Zusammenhang standen. Die Erneuerung des Lebenszyklus der Natur und damit der Beginn einens neuen Agrarjahres hatte einen besonderen Stellenwert für die Bauern, die letztendlich vom Land und dem Ertrag ihrer Felder und Äcker abhängig waren. So verwundert es nicht, dass die Mehrzahl der Frühjahrsfeiern im Wonnemonat Mai veranstaltet wurden. Zu diesen Festformen zählten Frühlingsfeiern, Mailehen, Pfingstritte, Grenzbegehungen und Flurumzüge.Viele dieser Feste stellten eine Mischung aus heidnischen und christlichen Bräuchen dar. Vor allem die Flurumzüge wurden als Prozessionen in die Reihen der kirchlichen Feste eingereiht, die anschließend in einem Dorffest ausklangen. Bereits im Hochmittelalter wurden Maibäume auf einem freien Platz inmitten des Dorfes aufgestellt und - wie heute noch üblich - von der Dorfjugend erklommen. Ein zusätzlicher Brauch waren die Maisträuche, die von jungen Bauernburschen für das von ihnen verehrte Mädchen zusammengestellt und vor deren Fenster angebracht wurden.
Kirmes - Kirchweihfest
Ursprünglich wurde die Kirmes am Tag der Kirchweihe oder am Namenstag des Pfarrpatrons der Dorfkirche mit einem Hochamt begangen, wozu in der Regel auch eine Prozession gehörte. Die damit verbundenen weltlichen Feierlichkeiten gewannen jedoch immer mehr an Bedeutung, sodass sich die Kirmes zum Hauptfest der bäuerlichen Bevölkerung im Jahreskreis entwickelte. In vielen Dörfern erhielten die Bauern an diesem Tag von der Obrigkeit die Erlaubnis, selbst Wein oder Bier auszuschenken, sodass großzügige Ess- und Trinkgelage als selbstverständlich galten. Dabei stand zumeist die Pfarrkirche samt dem Kirchhof im Mittelpunkt des Festgeschehens, wobei diese Örtlichkeit auch als geweihte Begräbnisstatte diente. Die Dorfbevölkerung hinderte dies allerdings nicht daran, diesen Ort als öffentlichen Platz für Tanz und Spiel zu nutzen. Neben dem Kirchhof wurde auch auf dem Dorfanger unter freiem Himmel getanzt. Öffentliche Karten-, Brett- und Würfelspiele, aber auch das volkstümliche Kegelspiel und sportliche Wettkämpfe zählten zu den weit verbreiteten Einrichtungen der Kir´mesfeiern, wobei auch hier die Verbote von kirchlicher Seite nicht lange auf sich warten ließen.
Einer der größten und beliebtesten Feste war der Gauder Kirchtag in Zell am Ziller am ersten Wochenende im Mai. Nach den langen, schweren Alpenwintern kamen hierher die Bauern und Kaufleute aus dem Salzburgischen, aus Südtirol und darüber hinaus natürlich aus Tirol. Bereits im Jahre 1428 erwähnten venezianische Kaufleute, die regen Handel mit dem Zillertal betrieben, den Kirchtag und Jahrmarkt in Zell. Schon seit jeher war die örtliche Brauerei, heute Zillertal Bier, unmittelbar mit dem Fest verbunden: Am ersten Wochenende im Mai öffnete der Braumeister die Stadel und Schupfen des Gauder-Anwesens. So leitet sich der Name „Gauder“, nicht wie viele vermuten vom Wort „Gaudi“ ab, sondern vom „Gauderlehen“, auf dessen Grundstücken das Fest ursprünglich stattfand.
Brechel-Fest
Ein Anlass, mit dem der Abschluss eines Arbeitsvorgangs zelebriert wurde, war das Brechel-Fest. Mit ihm wurde das "brecheln" gefeiert, ein Arbeitsschritt, mit dem in der Flachsproduktion die hölzernen Stängel aufgebrochen wurden, um an die spinnfähigen Fasern zu gelangen, und der körperlich sehr anstrendend war. Daher wurde das Brecheln des Flaches gerne als Gemeinschaftsarbeit ausgeführt, an dem sowohl Männer als auch Frauen, oft von mehreren Höfen, beteiligt waren. Der gesellige Aspekt machte die körperliche Anstrengung erträglicher - vor allem in dem Wissen, dass am Ende das "Brechel-Fest" zur Belohnung wartete. Dieses Fest kann man sich als eine Art Grillfest der Hofgemeinschaft vorstellen. Die Mädge und Knechte belohnten sich für das getanene "Brecheln" mit einer guten Jause und alkoholischen Getränken. Kam eine besser gestellte Person, meist ist es ein größerer Bauer, seltener eine Bäuerin, an der Gesellschaft vorbei — wurde ihm/ihr von einer der „Prechlern" eine Handvoll Flachs in Form einer Fessel um den Hals gelegt. In der Mundart der Südtiroler nennt man diesen Vorgang „Kragln". Die „gekraglte" Person kann erst nach Zahlung eines Lösegeldes — meist von alkoholischer Art — ihren Weg fortsetzen. In anderen Regionen gab es den 'Brechlbuschn', eine mit etwas Flachs umwickelte Nelke und ein Rosmarinzweig - der als Pfand diente. Jeden Mann, der beim Brecheln vorbeikam, hielten die Brechlerinnen auf; von der Großmagd wurde ihm der Brechlbuschn an den Hut gesteckt, und er musste sich mit Wein, Essen oder Geld loskaufen. Den Abschluß eines „Prechltages" bildet ein Schmaus im Bauernhaus, der sich nicht selten im „Prechltanz" fortsetzte.
Erntedank
Ein günstiger Termin für ländliche Festveranstaltungen war auch die Herbstzeit nach erfolgreich eingebrachter Ernte. Sie war nahrungstechnisch die beste Zeit für die Bauern. Die meisten Feldfrüchte waren reif und standen zur Vefügung, das Getreide war eingebracht und die harte Arbeit der Feldbestellung lag hinter ihnen und der lange dunkle Winter noch vor ihnen. So boten die Erntedank-Feste vor dem Winter und den Entbehrungen noch einmal Gelegenheit zum Ausgelassen-Sein und Über-Die-Stränge-Schlagen. Vielerorts wurde der Erntedank auch mit einem Dankgottesdienst kombiniert.
Schlachtfest
Der alljährliche Schlachttag im Dezember sowie das dazugehörige Schlachtfest boten auch im Winter einen willkommenen Anlass, um ausgiebig zu feiern. Das Schlachten der Mastschweine waren wie das Flachs-Brecheln Gemeinschaftsarbeit, an dem die Hofbewohner und ggf. auch die Nachbarn beteiligt waren. Nach getaner Arbeit wurde ein Teil des Fleisches zu Würsten verarbeitet oder kam frisch zubereitet auf den Tisch. Das war oftmals der erste richtige Braten, den die Bauersleute nach langer Zeit genießen konnten und dementsprechend Grund zur Ausgelassenheit. Den Großteil des Fleisches pökelte die Bauersfrau allerdings ein oder machte ihn als Würste und Speck durch Räuchern haltbar, damit auch während der langen Wintermonate ausgiebige Fleischmahlzeiten genossen werden konnten (zB an den Weihnachtsfeiertagen).
Bauernhochzeit
Die Hochzeit war wohl das wichtigste Fest im Leben der bäuerlichen Bevölkerung und wurde mit größtmöglichem Aufwand gefeiert. Größter Wert wurde auf das Hochzeitskleid, auf die Anzahl der Gäste, auf die Art und Menge der Speisen und auf den abschließenden Hochzeitstanz gelegt und so ging manches Hochzeitsfest wohl über die finanziellen Verhältnisse der Gastgeber hinaus. Aus diesem Grund versuchten die Dorfobrigkeiten den Aufwand, der für Hochzeiten veranstaltet wurde, zu reglementieren. Daher durften die Brautleute des bäuerlichen Milieus, im Gegensatz zu den anderen Ständen, nur eine Tageshochzeit feiern, die je nach finanziellem Hintergrund nach der Messe um die Mittagszeit oder erst am Abend beginnen konnte.Wie bei anderen bäuerlichen Festen stand auch bei den Bauernhochzeiten des Mittelalters die Abhaltung eines großen Festmahles mit möglichst vielen Gängen und einer großen Reichhaltigkeit der Speisen sowie der gesellschaftliche Tanz im Mittelpunkt. Welche Bräuche damit noch verbunden waren, damit werde ich mich einmal in einem gesonderten Artikel befassen.
Kindbettfeiern
Spätmittelalterliche Festordnungen berichten von großen, gemeinschaftlichen Feiern, die aus Freude und Erleichterung über eine gut verlaufende Entbindung abgehalten wurden. Zum Teil hatten zu dieser Feierlichkeit, wie auch zum Besuch des Wochenbettes nur Frauen Zutritt. Doch auch die Aussegnung der Wöchnerin und ihr erster Gang in die Kirche waren eine gesellschaftliche Begebenheit, deren Ausklang zuweilen im Dorfgasthaus stattfand, in dem dann auf das freudige Ereignis angestoßen wurde.
Literaturnachweise:
- "Jahreszeiten - Lebenszeiten - Das bäuerliche Alltagsleben im Mittelalter insbesondere aus der Sicht der Frau“, Maria Narbeshuber, 2005.
- http://www.gauderfest.at
- Tirol: Flachsverarbeitung Riffeln — Brechen — Hecheln, Filmbeschreibung und Begleitveröffentlichung von Waltraut Ratjter, Toblach, 1968.
- Die Bäuerliche Nutzweberei im Gadertal, Verena Staggl, 1983.